SIEBEN MINUTEN HOFFNUNG
Freitagmorgen, 9 Uhr. Mein Handy klingelt, eine unbekannte Festnetznummer aus einer deutschen Großstadt zeigt sich mir. Als Zuständige für den Bereich Gegen Menschenhandel frage ich mich in diesen Momenten immer, wer mag das sein, welche Not steht dahinter?
Ich melde mich also, und am anderen Ende ist eine Krankenschwester, die auf ihrer Station eine Patientin hat, um die sie sich sehr sorgt. Die junge Frau, aus Litauen stammend, ist, seit sie 13 Jahre alt ist, in Deutschland und ist wohl seitdem in der Prostitution gefangen. Sie hat mehrere Verletzungen und musste sogar operiert werden. Diese sehr engagierte Krankenschwester kannte offensichtlich das Problem der Zwangsprostitution und wollte unbedingt verhindern, dass die junge Frau wieder zurück in dieses Elend geht. Offensichtlich kannte diese nichts anderes und wurde auch schon wieder gedrängt, zurückzukommen! Während ihres Nachtdienstes hatte die Schwester etwas Zeit, im Internet nach Hilfe zu suchen und nahm auch schon Kontakt mit einer Hilfsorganisation auf. Trotzdem hat sie sich auch bei der Heilsarmee, also bei mir gemeldet. Durch die Vernetzung mit rund vierzig Mitgliedern von Gemeinsam gegen Menschenhandel fällt mir immer eine passende Hilfsorganisation ein, die in der jeweiligen Nähe liegt. So war es auch dieses Mal, und wir sprachen kurz über das weitere Vorgehen. Dazu ließ ich mir den Namen der Schwester geben, die den Hörer aber plötzlich an eine Kollegin weiterreichte. Diese sagte mir, ehe ich das Gespräch weiterführen konnte, „Sie ist eben durch die Tür gegangen“. Ich verstand erst nicht, was sie meinte und sie wiederholte den Satz nur resigniert und dann verstand ich! „Die Frau hat das Krankenhaus verlassen?“ fragte ich, worauf die traurige Antwort kam, dass ein Krankenhaus eben niemanden gegen seinen Willen festhalten kann. „ Er hat gewonnen!“, sagte sie. Die Kollegin sei aber noch hinterhergelaufen, um die Frau umzustimmen. Ich bat, mich im positiven Fall zu kontaktieren, und dann war das Gespräch beendet, nach sieben Minuten.
Ich bekam keinen Anruf mehr von dort.
Sieben Minuten, in denen die Hoffnung auf eine Veränderung des Lebens dieser jungen Frau aufkeimte, und in denen diese Chance durch jahrelange Bedrohung, Manipulation und Gewalt zunichtegemacht wurde.
Das ist die Realität in Deutschland im sogenannten Sexgewerbe! Auch wenn es Frauen gibt, die sich freiwillig prostituieren (wobei hinter „freiwillig“ oft auch ein Zwang steht), ist es ein frauenverachtendes Geschäft, das nur Menschenhändlern, Bordellbetreibern und Zuhältern viel Geld in die Taschen spült. Die Frauen bekommen wenig bis fast gar nichts! Dies betrifft Hunderttausende Frauen!
Übrigens spricht kaum jemand über die „Kunden“ der Frauen, die Freier. Doch sie sind der Schlüssel, dieses Unrecht zu beenden. Wo keine Nachfrage ist, hat es keinen Bedarf! Vielen Frauen bliebe dann solch ein Schicksal erspart!
Angela Fischer
Nationale Kontaktperson Anti Human Trafficking