Gedanken zu Weihnachten

Von Patrick und Anne-Dore Naud, Leiter der Heilsarmee in Deutschland

Am Ende der Weihnachtsfeier wurden alle Besucher gebeten, aufzustehen und an den Ausgang zu kommen, damit wir ihnen ihre „Weihnachtstüte“ mit Lebensmitteln und kleinen Köstlichkeiten zu Weihnachten überreichen konnten. Eine gebrechliche alte Dame dankte uns – mit Tränen in den Augen – von ganzem Herzen für das Weihnachtsprogramm. Dann, nach einem neugierigen Blick in die Plastiktüte, die sie erhalten hatte, ergänzte sie sehr, sehr freundlich: „Leider kann ich diese Kekse nicht essen. Ich ziehe es vor, sie jemand anderem zu überlassen.“ Dann legte sie die Kekspackung auf den nebenstehenden Tisch. Sie tat dasselbe mit der Flasche Öl und dem Zucker, die in der Tüte waren. Wir spürten, dass es ihr sehr peinlich war, uns das zu sagen. Während sie die Tränen aus ihren Augen wischte, gab sie weitere Leckereien aus der Tüte zurück und packte schließlich nur ein ganz kleines Päckchen Nudeln in ihre Tasche. Dann ging sie glücklich und dankbar nach Hause. Warum hatte diese Frau am Ende der Weihnachtsfeier geweint? War sie in einer schwierigen Situation?

Wir entschieden uns, sie in den folgenden Tagen zu besuchen. Als wir in ihr Zuhause kamen, waren wir sehr überrascht. Es war ein ultra-modernes „trendy“ Appartement mit einer herrlichen Aussicht. Wie hatte es der Name dieser Frau auf die Liste der Menschen geschafft, denen wir zur Weihnachtszeit helfen? Dieses Rätsel wird wohl nie gelöst werden. Sie lud uns ein, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Nach einem ersten freundlichen Austausch, der zunächst einmal Vertrauen schuf, öffnete sie uns ihr Herz: Ihre Lebensgeschichte war unglaublich. Sie war Jüdin. Ihre ganze Familie war in den Konzentrationslagern der Nazis vernichtet worden. Das hatte ihr Leben stark gezeichnet. Sie lebte seit vielen Jahren sehr zurückgezogen, in großer Einsamkeit. Seit Jahren war sie nicht mehr zu einem Fest eingeladen worden. Natürlich benötigte sie nichts Materielles. Sie hatte alles, was sie brauchte. Aber aufgrund der Verletzungen in ihrem Leben, durch Geschehnisse in ihrer Vergangenheit, war sie alleine, furchtbar alleine, ohne Familie oder Freunde. Diese Einsamkeit war schrecklich!

Nein, diese Frau brauchte wirklich keine Weihnachtstüte der Heilsarmee. Sie brauchte nur die Einladung, um mit anderen zusammen zu sein und zu reden. Sie brauchte Gemeinschaft und persönliche Zuwendung. Sie brauchte Freundlichkeit und Zuspruch.

Wie viele Menschen sind alleine?

Wie viele Menschen haben keine Familie? Wie viele Menschen, die durch die Erfahrungen ihres Lebens verletzt und gezeichnet sind, brauchen unsere Zuwendung, unsere Einladung, unseren Besuch, unser „offenes Ohr“, unsere Ermutigung? In dieser besonderen Zeit von Advent und Weihnachten, in der oft Erinnerungen an Vergangenes einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen, sollten wir aufmerksam und bereit sein und das Licht und die Wärme der Weihnachtsbotschaft zu den Menschen bringen!

Es gibt viele Menschen, die einsam und hinter ihren Fenstern und Türen versteckt auf etwas warten, ohne zu wissen, dass dies die gute Nachricht des Evangeliums ist. Diese Nachricht ist und bleibt die beste Botschaft der Solidarität, des Glaubens, des Friedens und der Hoffnung für die ganze Menschheit.

Viel Kraft und Frohe Weihnachten!

Mit den besten Wünschen

Oberste Patrick und Anne-Dore Naud
Territoriale Leiter der Heilsarmee in Deutschland, Litauen und Polen

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