„Gut, dass Prostitution legal ist, sonst würde die Zahl der Vergewaltigungen hochschnellen.“
„Gut, dass Prostitution legal ist, sonst würde die Zahl der Vergewaltigungen hochschnellen.“
Moment mal, wie bitte?!
Die oben zitierte Aussage habe ich vor einiger Zeit im Internet gelesen, und sie macht mich immer noch wütend. Und beim Versuch, meine Gedanken zu dem Thema niederzuschreiben hatte ich immerzu das Gefühl, eine Binsenweisheit zu verkünden. Aber vielleicht ist es gar nicht so offensichtlich? Denn ich höre immer wieder solche Kommentare.
#istdasgerecht
Heute Morgen kam ich früh zur Arbeit und ging dann noch einmal hinaus, um eine Besorgung zu erledigen. Und da sah ich sie – eine hübsche junge Frau stand in der Nähe des Ladens, zu dem ich gerade ging. Doch als ich näherkam, merkte ich, dass etwas nicht stimmte: müde und verweinte Augen, das Outfit vom Vorabend, barfuß, zitternd. Verängstigt und verloren. Ich trat auf sie zu und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie antwortete Nein, sie wolle nur noch nach Hause, ob ich ein Taxi für sie rufen könne? Das tat ich und fragte dann, ob ich sonst noch etwas tun könnte ... aber sie wollte nur nach Hause. Rasch betete ich noch für sie und dann trennten sich unsere Wege.
Ich weiß nicht genau, was letzte Nacht mit ihr geschehen ist. Aufgrund von manchem, was sie sagte, und ihrer Körpersprache kann ich es mir jedoch vorstellen.
Wollen wir etwa behaupten, dass das, was auch immer ihr letzte Nacht zugestoßen ist, in Ordnung war, weil die Welt dadurch angeblich für alle anderen Frauen sicherer wird?
Kurz gesagt: Nein!
Jeden Tag werden überall auf dieser Welt Frauen vergewaltigt: in Ländern, in denen Prostitution legal ist, und in Ländern, in denen Prostitution illegal ist. Frauen werden vergewaltigt von Fremden, von ihren Partnern, von Zufallsbekanntschaften, von Typen, denen sie immer wieder Nein gesagt haben ...
Prostitution ändert nichts für Frauen. Wenn überhaupt, macht es Dinge für sie nur schlimmer.
Es wird sich nur dann etwas ändern, wenn wir die Gesellschaft an sich verändern, wenn wir gegen die Auffassung kämpfen, dass Sex gekauft und verkauft werden kann, die Auffassung, dass Männer sich nehmen können, was sie wollen, wann sie es wollen, und dass das für sie folgenlos bleibt. Was einen Unterschied machen wird, ist, wenn Frauen und Mädchen anders wahrgenommen werden: Wir sind keine Körperteile, die zum Vergnügen von Perversen auf diesen Planeten gesetzt wurden.
Prostitution macht die Welt nicht zu einem sichereren Ort für Frauen
Ich lebe und arbeite in der Nähe des Rotlichtviertels. Jeden Tag sehe ich Männer vorbeifahren, in Klubs hineingehen und aus ihnen herauskommen; von Nachbarn habe ich gehört, was hier die ganze Nacht über geschieht, und manchmal auch mitten am Tag.
Mich erschreckt, wie Männer in dieser Gegend Frauen anschauen. Denn sie sehen in ihnen nicht den Menschen, sondern lediglich eine Ware, eine Dienstleistung. Sie sehen Objekte, die nur zu ihrem Vergnügen auf diesem Planeten sind. Und niemand widerspricht ihnen.
Die Tatsache, dass Prostitution legal ist, macht diesen oder irgendeinen anderen Ort nicht sicherer für Frauen, sie bestärkt vielmehr die Vorstellung, dass Vergewaltigung in Ordnung sei. Und wenn Vergewaltigung in manchen Gebäuden, in manchen Straßen, in manchen Ecken in Ordnung ist, warum sollte sie nicht überall in Ordnung sein? Die Grenzen verschwimmen. Und wenn käuflicher Sex von einer Prostituierten keinen Kick mehr bringt, werden die Käufer möglicherweise woanders zum Raubtier (eigentlich waren sie schon zuvor Raubtiere) und ihr nächstes Opfer könnte jede innerhalb oder außerhalb des Rotlichtviertels sein.
#dasistnichtgerecht
Was die Frau, die ich heute Morgen getroffen habe, durchgemacht hat, ist nicht fair, es ist nicht in Ordnung, und dieser Preis ist kein hinnehmbarer Kollateralschaden, für den wir eine scheinbar sicherere Gesellschaft bekommen.
Ich träume von einer besseren Welt, und die kann es nur geben, wenn neue Generationen von Männern mit dem Bewusstsein aufwachsen, Frauen als Ebenbürtige zu lieben. Lasst uns daran arbeiten, die Einstellungen und Verhaltensweisen der kaputten Generationen zu verändern, aus denen unsere Gesellschaft besteht. Und lasst uns aufhören, Unsinn zu glauben und weiterzuverbreiten.
Wichtiger Hinweis:
Ich WEISS, dass nicht alle Männer so sind. Aber zu viele Männer sind so.
Ich WEISS, dass nicht nur Frauen vergewaltigt werden, aber in diesem Beitrag beschränke ich mich bewusst auf Frauen.
Ich WEISS, dass eine Abschaffung von Prostitution auch Herausforderungen mit sich bringt, aber Legalisierung ist nicht die Lösung.
Ich WEISS, dass es schon immer Prostitution gab – aber das bedeutet nicht, dass es für immer und ewig Prostitution geben muss.
Lesen Sie hier mehr über die Rotlichtarbeit der Heilsarmee
Über die Autorin
Christine Tursi hat eine Leidenschaft dafür, dass das Thema Soziale Gerechtigkeit Wirklichkeit wird. Sie leitete in der Vergangenheit die Fachstelle Soziale Gerechtigkeit der Heilsarmee in der Schweiz und vertrat die Heilsarmee bei den Vereinten Nationen in Genf und Wien.
Die 31jährige Leutnantin leitet seit August 2018 die Heilsarmee-Gemeinde in Hannover. Bevor sie die theologische Ausbildung der Heilsarmee in London absolvierte, hat sie Geschichte und Kommunikationswissenschaften in der Schweiz studiert.