Leiter der internationalen Heilsarmee trifft Papst Franziskus
General André Cox zu Besuch im Vatikan
General Cox, Leiter der internationalen Heilsarmee, traf Seine Heiligkeit Papst Franziskus am Freitag den 12. Dezember 2014. Bei dieser allerersten Privataudienz eines Generals der Heilsarmee bei einem Papst bildete die Pracht der Umgebung des Vatikans einen Kontrast zu der zwanglosen Herzlichkeit, mit der sich die weltweiten Leiter der Heilsarmee und der römisch-katholischen Kirche begegneten. Das Treffen war der Höhepunkt von Gesprächen, die die Heilsarmee zwischen 2007 und 2012 mit Vertretern des Vatikans geführt hatte – kürzlich in einem Buch veröffentlicht – stand aber gleichzeitig für den Wunsch, diese Gespräche fortzusetzen.
Dabei unterbrach der Papst spontan die Verlesung seines Grußwortes (nachfolgend in voller Länge widergegeben), um von einem Erlebnis aus seiner Kindheit in Argentinien zu erzählen. Damals galten Protestanten in den Augen vieler Katholiken als „schlechte Menschen, die in die Hölle kommen“. Er erinnerte sich, wie der vierjährige Jorge Mario Bergoglio (wie Papst Franziskus damals hieß) mit seiner Großmutter spazieren ging und dabei zwei Frauen von der Heilsarmee in Uniform mit „diesen komischen Hüten“ sah. („Tragen Sie die heute noch?“, erkundigte sich der Papst.) Jorge fragte seine Großmutter, ob das Nonnen oder Ordensschwestern seien, und sie antwortete: „Nein, das sind Protestanten – aber die sind gut.“
„Das“, fuhr Papst Franziskus fort, „war die erste Predigt, die ich jemals über Ökumene hörte – und sie hat mich auf meinem Weg der Ökumene geprägt“.
Der Papst schloss seine Botschaft mit der Bitte, im Gebet an ihn zu denken, und es war ein bewegender Moment, als – nach dem Austausch von Geschenken – der Papst den General an diese Bitte erinnerte, woraufhin General Cox anbot, gleich an Ort und Stelle zu beten. Der Papst nahm dieses freundliche Angebot dankbar an und betete anschließend seinerseits für den General und seine Leitungsaufgabe in der Heilsarmee. Zum Abschluss des Treffens verbrachten die beiden Leiter noch einige Minuten im privaten Gespräch.
Grußbotschaft Seiner Heiligkeit Papst Franziskus an die Delegation der Heilsarmee-Leiter
Liebe Freunde,
ich begrüße Sie, die Leiter der Heilsarmee, sehr herzlich. Die evangelistische und karitative Arbeit der Heilsarmee ist mir gut bekannt. Ihr Besuch ist ein erfreuliches Ergebnis der vermehrten und fruchtbaren Kontakte, die in den letzten Jahren zwischen der Heilsarmee und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen stattgefunden haben. Darunter waren eine Reihe theologischer Gespräche mit dem Ziel, das Verständnis füreinander, gegenseitigen Respekt und eine regelmäßige Zusammenarbeit zu fördern. Ich hoffe sehr, dass Katholiken und Salutisten auch weiterhin gemeinsam Christus und das Evangelium bezeugen, in einer Welt, die es so nötig hat, die grenzenlose Gnade Gottes zu erfahren.
Katholiken und Salutisten teilen mit anderen Christen die Überzeugung, dass Menschen in Not einen besonderen Platz in Gottes Herzen einnehmen. Und zwar so sehr, dass der Herr Jesus Christus selbst um unseretwillen arm wurde (vgl. 2. Korinther 8,9). Aus diesem Grund begegnen sich Katholiken und Salutisten häufig in denselben Randgebieten der Gesellschaft. Ich hoffe, dass unser gemeinsamer Glaube an Jesus Christus, den Erlöser, den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1. Timotheus 2,5), immer mehr zur festen Grundlage der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen uns wird.
„Die Kirche ‚im Aufbruch‘ ist die Gemeinschaft der missionarischen Jünger, die die Initiative ergreifen, die sich einbringen, die begleiten, die Frucht bringen und feiern … Die evangelisierende Gemeinde spürt, dass der Herr die Initiative ergriffen hat, ihr in der Liebe zuvorgekommen ist (vgl. 1. Johannes 4,10), und deshalb weiß sie voranzugehen, versteht sie, furchtlos die Initiative zu ergreifen, auf die anderen zuzugehen, die Fernen zu suchen und zu den Wegkreuzungen zu gelangen, um die Ausgeschlossenen einzuladen. Sie empfindet einen unerschöpflichen Wunsch, Barmherzigkeit anzubieten – eine Frucht der eigenen Erfahrung der unendlichen Barmherzigkeit des himmlischen Vaters und ihrer Tragweite“ (Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, 24).
Ich bete, dass in der heutigen Welt alle Jünger Christi ihren Beitrag mit derselben Überzeugung und demselben Tatendrang leisten mögen, wie es die Heilsarmee in ihrem hingebungsvollen und hochgeschätzten Dienst tut. Die Unterschiede zwischen Katholiken und Salutisten in theologischen und ekklesiologischen Fragen müssen das Zeugnis unserer gemeinsamen Liebe zu Gott und zum Nächsten nicht behindern. Diese Liebe kann dazu inspirieren, sich gemeinsam dafür einzusetzen, die Würde derer wiederherzustellen, die an den Rändern der Gesellschaft leben.
Liebe Freunde, ich bete zu Gott für die Arbeit der Heilsarmee. Mögen auch weiterhin viele Menschen in schwierigen Situationen auf Ihre Bemühungen zählen, durch die das Licht Christi in den dunkelsten Winkeln ihres Lebens scheinen kann. Mögen Sie und Ihre Mitsalutisten vom Heiligen Geist mit den Gaben der Weisheit, des Verständnisses, der Kraft und des Friedens erfüllt werden und so das Reich Gottes in unserer leidenden Welt bezeugen. Und bitte, beten Sie auch für mich. Danke.
General André Cox antwortete wie folgt:
Eure Heiligkeit, es ist mir eine sehr große Ehre, Sie persönlich treffen zu können. Im Namen der Salutisten, die in 126 Ländern leben, überbringe ich Ihnen herzliche Grüße, aber, was noch wichtiger ist, möchte ich Sie unserer Gebetsunterstützung versichern für die gewaltigen Aufgaben, die Gott Ihnen anvertraut hat.
Durch viele Ihrer öffentlichen Äußerungen sowie die Maßnahmen, die Sie hinsichtlich verschiedener Angelegenheiten innerhalb der katholischen Kirche ergreifen, erkennen wir deutlich Ihre Christusähnlichkeit, indem Sie treu danach streben, ein wahrer Diener des Evangeliums zu sein. Dieses Beispiel eines geheiligten Lebens überschreitet Konfessionsgrenzen und wir sind Gott dankbar für jedes Zeichen seines Geistes in Ihrem Leben.
Ihr Engagement im Kampf gegen Armut, Unrecht und Korruption ist etwas, das in den Herzen der Salutisten starken Anklang findet. Ganz persönlich kann ich sagen, dass dies ganz meinen eigenen tiefen Überzeugungen entspricht. Wie Sie sind auch Salutisten fest davon überzeugt, dass die Kirche als Leib Christi auch den Geist Christi widerspiegeln muss. Daher sollten wir eine einladende Gemeinschaft sein, die auf praktische Weise einen erlösenden Einfluss in Gottes guter, wenn auch gefallener Schöpfung ausübt.
Als Salutisten wissen wir nur zu gut, dass unsere Gottesdiensträume keine Orte sind, an die sich wenige Auserwählte vor der Welt zurückziehen können. Nein, sie sind vielmehr Brückenköpfe des Reiches Gottes in der Welt – auf Jesus ausgerichtete, mit Gnade erfüllte Gemeinschaften, die anderen selbstlos dienen. Unsere Gemeinden sind Orte, an denen die Jünger Christi ausgestattet, bevollmächtigt und befähigt werden können, um den Missionsbefehl – in Wort und Tat – zu erfüllen. Der Apostel Paulus bezeugt den Philippern die hilfreichen Worte: „Ja, alles andere erscheint mir wertlos, verglichen mit dem unschätzbaren Gewinn, Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen. Ich habe alles andere verloren und betrachte es als Dreck, damit ich Christus habe.”
Katholiken und Salutisten sind sich darin einig, dass sie die Würde und den Wert jedes menschlichen Lebens bekräftigen, in dem Bewusstsein, dass alle nach dem Bild Gottes geschaffen sind. Wir erkennen bereitwillig an, dass uns der gemeinsame Wunsch, der Berufung Gottes für unser Leben treu zu sein, im gemeinsamen Bemühen verbindet. Wir teilen die Sorge und den Kampf gegen gesellschaftliche Übel wie Sklaverei, Menschenhandel, Sucht und die Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen. Zahllose katholische Priester und Heilsarmeeoffiziere leben und arbeiten Seite an Seite und dienen miteinander einigen der ärmsten und am stärksten ausgegrenzten Menschen der Welt. Unsere Komplementarität entspringt dem gläubigen Handeln, das sowohl für Katholiken als auch für Salutisten motiviert ist vom Gehorsam gegenüber Jesus Christus zur größeren Ehre Gottes.
Ich frage mich, ob es neben den Beispielen für die enge Zusammenarbeit von Salutisten und Katholiken hin und wieder auch Gelegenheiten geben kann, mit einer Stimme zu sprechen. Ein solches Beispiel einer gemeinsamen Botschaft ist unser kürzlich veröffentlichtes Buch „Conversations with the Catholic Church” (Gespräche mit der katholischen Kirche). Es ist mir eine Freude und ein Vorrecht, Ihnen heute Morgen ein Exemplar zu überreichen. Diese Veröffentlichung ist nicht nur ein Dokument unseres äußerst bereichernden und fruchtbaren Dialogs in den Jahren 2007 bis 2012, ich bin auch überzeugt, dass sie uns eine ausgezeichnete Grundlage bietet, um unsere Gespräche weiterzuführen. Ich hoffe und bete, dass wir nicht nur nebeneinander hergehen, so bewegend das auch ist, sondern dass wir gemeinsam unterwegs sind als glaubwürdige Zeugen der Wahrheit, dass Jesus Herr ist.
Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie mich heute so freundlich empfangen haben. Das ist für mich ein besonderes Vorrecht.