Lesegottesdienst für den 1. Advent

Liebe Freunde,

nach einer kleinen Pause starten wir wieder mit unseren Lesegottesdiensten. Es wird Advent. Lieder der Adventszeit werden das Thema für die nächsten Wochen sein.

Auch wenn Advent und Weihnachten anders sein werden als in den Jahren zuvor, freue ich mich doch sehr auf diese besondere Zeit. Denn das Wichtigste bleibt ja: Jesus ist gekommen und kommt in unser Leben. Wir erinnern uns an das kleine Kind. Aber wir dürfen wissen, dass er unser Retter und Erlöser ist und so in unser Leben kommt. Und dass er einmal als König und Herr wiederkommen wird.

Nehmt Euch wie immer Zeit für diesen Brief. Legt die Bibel bereit, um die angegebenen Bibelstellen zu lesen. Teilt den Brief auch gerne mit anderen oder gebt ihn weiter. Wir wünschen Euch Gottes reichen Segen.


Gebet:

Herr, wir danken Dir, dass Du da bist. Jesus, du kommst. Nicht arm und klein, sondern als unser Erlöser und Heiland. Segne uns. Amen.

Gem. Lied:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt. Derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer, reich von Rat!

Dieses Lied kennen wir alle. Vielleicht kennen wir auch die Entstehungsgeschichte.

Der Text stammt von Georg Weißel, der im Jahr 1590 im ostpreußischen Domnau (heute das russische Domnowo) geboren wurde. Er studierte an der Universität Königsberg lutherische Theologie und Musik. Mit 33 wurde er Pfarrer in Königsberg. Einige Liedtexte sind von ihm überliefert. Aber sein bekanntestes ist sicherlich das Lied „Macht hoch die Tür“. Er dichtete dieses Lied fünf Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges, dem weite Teile der Bevölkerung Europas zum Opfer fielen. Den Überlebenden bescherte er Seuchen und schwere Hungersnöte. Pfarrer Weißel nahm sich vieler Notleidender an. Deren Hilfeschrei finden wir in dem Lied, wenn es heißt: „All unsre Not zum End er bring.“

Über die Entstehungsgeschichte des Liedes berichtet Pfarrer Weißel selbst: „Neulich“, schreibt er, „als der starke Nordost Sturm von der nahen Samlandküste herüber wehte und viel Schnee mit sich brachte, hatte ich in der Nähe des Domes zu tun. Die Schneeflocken klatschten den Menschen gegen das Gesicht, als wollten sie ihnen die Augen zukleben. Mit mir strebten deshalb viele Leute dem Dom zu, um Schutz zu suchen. Der freundliche und humorvolle Küster öffnete uns die Tür des Domes mit einer tiefen Verbeugung und sagte: ‚Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner! Sollen wir nicht hinausgehen auf die Straßen, an die Zäune und alle hereinholen, die kommen wollen? Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.‘ – Nachdem ich den Schnee von meinem Gewand abgeschüttelt hatte, klopfte ich dem Küster auf die Schulter und sagte: ‚Er hat mir eben eine ausgezeichnete Predigt gehalten!‘ – Wir blieben im Vorraum des Domes stehen, bis sich das Unwetter ein wenig gelegt hatte. Da kamen mir die ersten Verse in den Sinn: ‚Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.‘ Zu Hause beendete ich den Text in kurzer Zeit.“

Erstmals gesungen wurde das Lied am 4. Adventssonntag des Jahres 1623 – jenem Jahr also, in dem es Pfarrer Weißel schrieb. Es wurde gesungen vor dem Gartentor des Geschäftsmannes Sturgis. Das geschah deshalb, weil dieser hartherzige Kaufmann ein an sein Herrenhaus angrenzendes Wiesengrundstück erworben und mit einem Zaun versehen hatte. Seitdem blieb das Tor zum nahen Armen- und Siechenheim fest verschlossen, so dass den

Bewohnern nicht nur der nahe Weg in die Stadt versperrt war, sondern auch der Weg zur Kirche. Sie mussten nun einen weiten Umweg machen. Die Forderung der Stadtväter und zahlreicher Bürger, das Tor zu öffnen, stieß bei Herrn Sturgis auf taube Ohren. So stand an jenem 4. Adventssonntag nicht nur der Heimleiter vor Sturgis‘ Tor, sondern auch Pfarrer Weißel mit zahlreichen armen und gebrechlichen Leuten aus dem Heim. Nachdem der Chor vor dem Tor Aufstellung genommen hatte, hielt Weißel eine kurze Predigt. Mit großem Ernst sprach er von der hochmütigen Verblendung, mit der viele Menschen dem König aller Könige, der ja auch in der Person jedes Armen und Kranken zu finden sei, die Tore ihres Herzens versperrten, so dass er bei ihnen nicht einziehen könne. Mit erhobener Stimme fuhr er fort: ‚Und heute, lieber Herr Sturgis, steht der König der Könige vor eurem verriegelten Tor. Ich rate euch, ich flehe euch an bei eurer Seele Seligkeit, öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein…‘ Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, als der Chor zu singen begann: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ Sturgis, so die Überlieferung, stand während dieses Liedes wie angewurzelt. Kurz vor Beendigung des Liedes aber – die Anwesenden sahen es mit Erstaunen – griff er in seine Tasche und brachte einen Schlüssel zum Vorschein, mit dem er das Gartentor aufsperrte. Von diesem Zeitpunkt an wurde es nie mehr verschlossen.

1. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt. Derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer, reich von Rat!

2. Er ist gerecht, ein Helfer wert, Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit; all unsre Not zum End er bringt. Derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland, groß von Tat!

3. O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat! Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein! Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn. Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat!

Text: Georg Weissel Melodie: bei Johann Anastasius Freylinghausen, Halle 1704

Türen faszinieren Menschen schon seit langem. Wie oft haben wir schon vor einer Tür gestanden und wie oft ist, wenn die Tür auf­ging, etwas Wesentliches pas­siert. Alltäglich verlassen wir unser Haus, unsere Wohnung durch eine Tür oder ein Tor. Wie selbstverständlich nutzen wir beides täglich.  „Tür und Tor“ – diese beiden sind so etwas wie Visitenkarten eines Hauses. Sie erzählen uns individuelle Geschichten, was sich hinter einer Tür verbirgt, wer durch Tore hinaus- und hineingegangen ist. Türen stehen für Grenzen, Möglichkeiten, Chancen, Heraus­forderungen, Abschiede und für neue Horizonte, die sich öffnen. Kleinkinder erleben Türen als Hin­dernisse. Wenn sie groß genug sind, können sie selbst die Türen öffnen und sich neue Zugänge schaffen. Türerlebnisse sind oft mit Gefühlen verbunden. Wenn Sie jemanden besuchen wollen und an der Tür klopfen oder klin­geln - wird Ihnen aufgemacht oder bleibt die Tür verschlossen? Ge­schlossene Türen vermitteln häufig das Gefühl des Ausgeschlossen seins. Manchmal sind wir aber froh, die Tür zu schließen, um Ruhe zu haben.

Kennen Sie Redewendungen, in denen Türen eine Rolle spielen?

„Dem stehen alle Türen offen“ „Jemand rennt offene Türen ein“ „Zwischen Tür und Angel“ „Ein Tag der offenen Tür“ „Vor der eigenen Tür kehren“ „Mit der Tür ins Haus fallen“ „Jemandem die Tür vor der Nase zuschlagen“

In Gottes Wort finden wir viele Bibelstellen, die mit Türen zu tun haben. In 1. Mose Kap 6 und 7 lesen wir von einer Tür, die Noah in die Arche einbauen soll (1. Mo 6,16b) und von Gott, der die Tür selbst zuschließt. (1. Mo 7, 16b) Wir lesen von der Stiftshütte. Hier sind die Tür bzw. der Vorhang als Symbol für eine Tür, ein wichtiger Ort, der mit dem Erscheinen Gottes zusammenhängt.

Wir wollen aber den Psalm betrachten, der das Lied „Macht hoch die Tür“ inspiriert hat.

Psalm 24   Die Erde und alles, was darauf ist, gehört dem Herrn. Die Welt und die Menschen sind sein. 2 Denn er hat die Fundamente der Erde in den Meeren verankert und sie auf den Tiefen der Ozeane erbaut.

Der 24. Psalm ist ein zeremonieller Festgesang, der Gott als den Schöpfergott lobt. Gott ist der allmächtige Schöpfer. Es stellt sich die Frage: Wer kann diesem Schöpfer begegnen? Die Gläubigen sangen dieses Gebet und hinterfragten sich aber mit den Versen 3-6 wer berechtigt ist auf den Zion, den Gottesberg zu gelangen.

3 Wer darf den Berg des Herrn besteigen und wer an seinem heiligen Ort stehen? 4 Nur die Menschen, deren Hände und Herzen rein sind, die keine Götzen anbeten und keinen falschen Eid schwören. 5 Sie empfangen den Segen des Herrn und Gerechtigkeit von Gott, ihrem Retter. 6 Das gilt für die Menschen, die nach dem Gott Israels fragen und seine Gegenwart suchen.

Und ganz klar: Wer reinen Herzens ist, der ist berechtigt den Gottesberg zu betreten und Gottes Antlitz zu suchen. Gott wird da sichtbar, wo Menschen ihn von ganzem Herzen suchen und nach Gottes Regeln leben.

Und dann kommen die uns bekannten Verse. Wir lesen die Verse 7-10.

7 Öffnet euch, ihr ehrwürdigen Tore und ihr uralten Türen, damit der König der Herrlichkeit einziehen kann. 8 Wer ist der König der Herrlichkeit? Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Kampf. 9 Öffnet euch, ihr ehrwürdigen Tore und ihr uralten Türen, damit der König der Herrlichkeit einziehen kann. 10 Wer ist der König der Herrlichkeit? Es ist der allmächtige Herr - er ist der König der Herrlichkeit.

Der Herr Zebaoth, der Gott Israels, der König der Ehre, der mächtige Schöpfergott kommt und er ist so stark, dass die Pforten der Welt sich öffnen. Hier wird die Ankunft Gottes in der Welt in der Zukunft beschrieben und diese Ankunft wird dann für alle Völker sichtbar sein. Wenn er dann kommt, kommt er mit Macht und Stärke, eben als König. Nicht als Jesulein Süß in der Krippe.

Im Psalm ist damit gemeint, dass Gott in den Tempel in Jerusalem einzieht, weil er in diesem Heiligtum mitten unter seinem Volk wohnen will. Er will nah bei seinen Menschen sein. Wenn wir auf Jesus schauen, dann entdecken wir, dass in ihm Gott noch einmal auf eine ganz andere Weise zu uns Menschen kommt. In Jesus wohnt Gott unter uns Menschen und zeigt uns, dass er mit uns in Gemeinschaft leben möchte.

Gott kommt als Mensch in seine Schöpfung, damit der Mensch wird, wie er sein soll. Denn Jesus hat am Kreuz unsere Verfehlungen getragen, die uns an einer freien Begegnung mit Gott hindern. So erweist sich Jesus als „der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit“: Er besiegt die lebensfeindlichen Mächte, die in uns selbst wohnen! Er besiegt sie dadurch, dass er am Kreuz unsere Schuld trägt. Und dadurch ermöglicht er es uns, frei von Schuld vor den heiligen Gott zu treten.

Das bedeutet Advent: Gott kommt als Mensch in seine Schöpfung, damit der Mensch wird, wie er sein soll. Advent heißt: Gott kommt in Jesus zu uns.

Das fordert auch heraus. Wir erleben Schönes und Wunderbares. Aber da gibt es auch Schwierigkeiten, Belastungen, Ungeklärtes; verschlossene Türen. Wo sich etwas öffnen soll, hat das meistens Konsequenzen. Und Veränderungen machen uns oft auch Angst und benötigen Mut. Wo Offenheit, Klarheit und Aufrichtigkeit ist, da kann Gott ankommen.

Wir wollen Türen öffnen:

Zunächst einmal, die Tür zu mir

Ich bin. Ich lebe, arbeite, freue und ärgere mich. Ich bin ich. Und doch, manchmal, da spüre ich: Ich bin unzufrieden mit mir selbst. Ich möchte anders sein.

Gott den Weg bereiten, ihm die Tür öffnen heißt auch: zu mir stehen, sensibel zu sein für meine Zufriedenheit und Unzufriedenheit, aufrichtig und ehrlich durchs Leben zu gehen.

Als nächstes wollen wir die Tür zum anderen öffnen.

Da leben Menschen nebeneinander: bunt und verschiedenartig: Freunde, Gruppen, Familie, am Arbeitsplatz, in der Einen Welt. Wir Menschen gehören zusammen – und doch, manchmal erleben wir: Es liegt etwas dazwischen, die Gemeinschaft ist gestört … zerstört. Gott den Weg bereiten, die Tür öffnen heißt auch: Sich auf den anderen einlassen, im Nächsten auch eine Schöpfung Gottes sehen, aufeinander zugehen, Wege der Versöhnung suchen.

Als letztes wollen wir uns Gedanken machen über die Tür zu Gott

Wir sind Teil der Gemeinschaft der Glaubenden. Gott den Weg bereiten, ihm die Tür öffnen heißt auch mich für seinen heiligen Geist zu öffnen.  Und dieser Geist Gottes sollte mich bereit machen aktiv zu werden.

Macht hoch die Tür… Diese Aussage weist uns immer wieder neu darauf hin, dass unser großer und allmächtiger Gott in unser Leben kommen will. Als Herr und Heiland, dem wir die Türen unseres Herzens öffnen.

Stellen wir uns die Frage:  Bin ich offen genug, bin ich bereit dieses Kommen Gottes wahrzunehmen? Oder bleibt er mir verborgen, weil ich diese Zeit mit Erwartungen überfrachte. In diesem Jahr wird die Adventszeit anders sein. Kein Weihnachtsmarktbesuch. Keine Weihnachtsfeiern.  Gott kommt und damals kam er anders als erwartet. Nicht als König, sondern als kleines Kind. Nicht in Pracht und Herrlichkeit, sondern armselig und schwach. Er kam unvermutet. Er kam uns nah – als Mensch.

Wenn Gott unvermutet kommt, dann kann er mir überall und allezeit begegnen:

  • In dem Menschen, mit dem ich plötzlich ins Gespräch komme
  • In einem Gespräch mit einem Menschen, das ich hätte schon längst führen sollen
  • In einem Lächeln, dass mir ein Fremder zuwirft
  • In einem Dankeschön
  • Auch da wo ich Hilfe selbst annehme oder Hilfe schenke, kann Gott unvermutet ankommen

Ich bin gespannt, welche unvermuteten Ankünfte Gottes in dieser Adventszeit erlebt haben und erleben werden. Und wenn wir für diese Ankünfte offen sind, dann ist das Paradoxe, dann

bleibt Gott nicht im Verborgenen, durch uns und unsere Offenheit wird sein Wirken in

unserem Leben sichtbar.

4. Komm, o mein Heiland Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist! Ach zieh mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr!

Gebet: Dafür danken wir Dir: Für Deine Gnade und Freundlichkeit. Danke, dass wir Advent feiern und uns freuen dürfen über Dein Kommen in unsere Welt. Sei und bleibe Du bei uns. Amen.

Segen:

Der Herr segne euch im Advent;
er schenke eurer Seele Ruhe, um sich auf ihn auszurichten.
Er lasse den Tau des Himmels auf euch herabkommen,
damit sich euer müder Glaube erfrische.
Er schenke euch die Geduld für sein Kommen, auf dass ihr sehen werdet, wer er ist:
mmanuel – Gott mit uns.
So segne und behüte euch der dreieinige Gott
Vater, Sohn und Heiliger Geist, Amen.

Wir wünschen Euch Gottes reichen Segen. Gott ist da. Er lässt uns nie allein. Bleibt behütet und bewahrt.

Alles Liebe, Andrea und Stephan Weber

Zurück