Tag des Ehrenamtes am 5.12: Gutes tun kennt keine (Alters-) Grenze
Was wäre die Heilsarmee ohne die Ehrenamtler? Ingeborg Chevalley, Offizierin für Ehrenamtliche und Freiwilligenarbeit, schätzt die Zahl bundesweit auf 500 Freiwillige. Eva Reichert ist wahrscheinlich die Älteste. Die 84-Jährige steht von montags bis freitags an der Warenannahme des Zweite-Chance-Ladens in Dresden.
10 Jahre hat Eva Reichert ihren demenzkranken Mann gepflegt. Als er starb, fiel sie in ein tiefes Loch. Trauer und Leere machte sich breit. „Ich brauchte eine neue Aufgabe“, sagt die damals 74jährige und sprach im Ehrenamtsbüro der Stadt vor. Da sie fast 30 Jahre lang als Chefsekretärin in einem Krankenhaus gearbeitet hat, schlug man ihr Tätigkeiten in der Pflege vor. “Das wollte ich auf keinen Fall”, sagte sie und ging betrübt nach Hause. Als sie am nächsten Tag die Zeitung aufschlug, las sie einen Artikel über einen neuen Second-Hand Laden der Heilsarmee in Dresden. „Es war eine göttliche Fügung”, sagt sie heute. Das Ehrenamt habe ihr in der schweren Zeit, nach dem Tod ihres Mannes, viel weitergeholfen.
Den positiven Effekt der freiwilligen Arbeit kann auch der Diplom-Psychologe Martin Lotz, Referent für Soziales und Projekte bei der Heilsarmee Deutschland, bestätigen. „Ehrenamtliche Mitarbeiter weisen oft eine höhere Lebenszufriedenheit auf“, sagt er. „Sie arbeiten meistens im Team. Dadurch entsteht eine soziale Einbindung mit einem starken Gemeinschaftsgefühl. Dies tut nicht nur älteren Menschen gut, die manchmal unter Einsamkeit leiden. Auch Jüngere profitieren davon, zum Beispiel bei einem Studium in einer neuen Stadt.“
Seit 10 Jahren arbeitet Eva Reichert im Dresdener Laden. Seit einiger Zeit kümmert sie sich um die Spendenannahme im hinteren Teil des Ladens. Hier kommt überwiegend Kleidung an. Nicht alles ist für Verkauf und Weitergabe geeignet; kaputte und schmutzige Kleidungsstücke sortiert Eva Reichert sofort aus. Schließlich hätten auch Menschen, die arm oder obdachlos sind, ein Recht auf gute Qualität und gutes Aussehen, findet sie. Immer wieder gibt es auch sehr bewegende Momente. Neulich sei ein Mann mit zehn Säcken angekommen. Als Eva Reichert ihm klar machte, dass das einfach zu viel sei, brach der Mann in Tränen aus. Seine Mutter sei ganz plötzlich verstorben. „Ich habe ihn getröstet. Und natürlich musste er die Säcke nicht wieder einpacken“, berichtet sie.
Einen besonders engen Draht hat die Seniorin zu obdachlosen Menschen. Sie kommen, wenn sie im Haus der Heilsarmee gegenüber geduscht haben, direkt zu ihr in die hinteren Räume des Ladens. Oft muss Eva Reichert lange suchen, um einen Schuh in Größe 47 oder einen warmen Pullover in XXL aufzutreiben. Dass die Sachen nicht nur praktisch sind, sondern auch richtig passen und gut aussehen, ist ihr wichtig. Die neu eingekleideten Männer und Frauen danken es ihr mit einem strahlenden Lächeln – und kommen gern wieder.