Richard Brox zu Gast bei der Heilsarmee in Hannover
Über den Krieg gegen die Obdachlosigkeit und die Dankbarkeit der Menschen als Lohn
„War das eine Metapher für mein kommendes Leben? Vielleicht nicht in diesem Moment, aber am nächsten Morgen, da fing er an, dieser Krieg, der vielleicht auch nach dreißig Jahren noch längst nicht zu Ende ist. (…) Wie betäubt lief ich mit meinen beiden Tüten, in denen doch meine wichtigsten und letzten Habseligkeiten steckten, planlos durch irgendwelche Straßen. Kein Sofa, zu dem ich in der Nacht zurückkehren konnte, kein Zimmer, keine Küche, kein Bad, kein fließendes Wasser, kein Klo. Nichts.“
So eindrücklich beschreibt Beststeller-Autor Richard Brox in seiner Biografie „Kein Dach über dem Leben“ wie sein Leben als Obdachloser begann. Mehr als 30 Jahre lang lebte er auf der Straße und führte einen verzweifelten Kampf gegen Armut und Not. Auch die Heilsarmee in Hannover, bei der Richard Brox im März aus seinem Buch las, kämpft seit dem 19. Jahrhundert gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit in der Welt. Christine Tursi, die Leiterin der Heilsarmee-Gemeinde Hannover, erzählte den mehr als 80 Besuchern der Lesung, was die evangelische Freikirche und soziale Organisation tut, um Menschen ein Schicksal wie das von Richard Brox zu ersparen. „Wir möchten mit den Menschen Träume und Ziele setzen, um Möglichkeiten zu bieten, aus der Obdachlosigkeit zu kommen. Wir sind ein Hafen, ein Ort der Ruhe und Zuflucht und wir möchten Familie und Freunde für Menschen sein, die selbst keine haben. Wir kümmern uns um die Seelen der Menschen. Die Not ist groß und die Not wird größer.“
Das bestätigt auch Richard Brox, der sich nach seiner Zeit als Obdachloser nun selbst für Menschen auf der Straße engagiert. Er erklärte: „Bei Sozialdiensten geschieht es oft, dass die obdachlosen Menschen erst gefragt werden, wo sie denn her seien, und dass sie in ihre ursprüngliche Wohnstadt zurückkehren müssten, um Hilfe zu empfangen. Doch die Heilsarmee fragt nicht erst: ‚Wer sind Sie?‘ ‚Woher kommen Sie?‘ Die Heilsarmee hilft einfach bedürftigen Menschen und ist federführend, die Not der Ärmsten zu lindern.“ Er selbst habe in den 30 Jahren auf der Straße Kraft darin gefunden, etwas zu tun. Anfangs waren das seine Tätigkeiten als Tagelöhner, obwohl er dort oft menschenverachtende Arbeitsbedingungen erlebte. Schließlich gründete er einen eigenen Blog, um andere obdachlose Menschen mit Informationen über wichtige Anlaufstellen und Hilfsangebote zu versorgen. Dadurch wurde der bekannte Journalist und Aktivist Günter Wallraff auf ihn aufmerksam und ermutigte Richard Brox, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Das Buch wurde zum Bestseller und half seinem Autor von der Straße.
Wie kann man obdachlosen Menschen, denen man im Alltag begegnet, ganz konkret helfen? Das war eine von vielen spannenden Fragen die die Lesungsbesucher in Hannover an Richard Brox hatten. „Ich persönlich habe in jeder Hosentasche Bargeld.“, erklärte Richard Brox. „In die eine stecke ich so viel Geld wie ich selbst am Tag brauche, in die andere zehn Prozent von dieser Summe, um es anderen zu geben. Wenn das Geld aufgebraucht ist, sowohl das für mich, also auch das zum Geben, dann ist es eben aufgebraucht für den Tag. Wichtig ist aber, dass niemand etwas geben muss, das ist jedem selbst überlassen. Aber wenn man bereit ist, zu geben, erhält man die Möglichkeit, neu erwachte Lebensfreude und Dankbarkeit zu erleben.“
Diese Erfahrung können Christine Tursi und die Menschen, die sich bei der Heilsarmee in Hannover für andere engagieren, nur bestätigen. „Es lohnt sich, mit Nächstenliebe auf Menschen am Rande der Gesellschaft zuzugehen und sich für die Ärmsten einzusetzen“, sagt Tursi. „Daraus können lebensverändernde Erfahrungen entstehen.“