„In jedem Ende liegt ein neuer Anfang“
Rückblick anlässlich des Tages der Befreiung
Am 8. Mai 2020 jährt sich die Kapitulation der Wehrmacht zum 75. Mal. Das Datum markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und wird als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“ gefeiert. In diesem Jahr wird er einmalig in Berlin als Feiertag begangen. In den Jahren danach ist er wieder ein normaler Arbeitstag. Doch auch für die Heilsarmee in Deutschland ist es ein besonderes Datum, das einen Neuanfang und eine Befreiung markiert.
Denn während der Zeit des Nationalsozialismus sah es für die Heilsarmee zwölf Jahre lang so aus, als ob sie durch das NS-Regime verboten würde.
Eine Armee ohne Handlungsmöglichkeiten
Es waren einige glückliche Umstände und Gottes Bewahrung, die dazu führten, dass die Heilsarmee in der Zeit von 1933 bis 1945 überlebte. Es gab zwar im Dritten Reich große Einschränkungen und viele Androhungen, die Heilsarmee zu verbieten, doch letztlich hielt Gott seine Hände über seine Heilsarmee. Hitler scheute zunächst außenpolitische Irritationen, wenn er den deutschen Teil dieser internationalen Bewegung untersagen würde. Also durfte sie zwar weiter bestehen, aber vieles von ihrem Kerngeschäft nicht betreiben. Heißt: Keine gottesdienstlichen Versammlungen, keine Beschäftigung von Offizieren (militärische Ränge, die parallel zu denen der Nazis bestanden, galten als suspekt), keine Heime durften betrieben, keine Freiversammlungen abgehalten, keine Spenden gesammelt werden. Eine Heilsarmee ohne jegliche Handlungsmöglichkeiten also.
Der Heilsarmee-Leiter wird ins Gestapo-Büro einbestellt
Und so war es auch ein untersagter Spendenaufruf, weshalb Johann Büsing, der damalige Kommandeur der Heilsarmee, ins Gestapo-Büro einbestellt wurde. Er kannte bereits die immer wiederkehrenden Verhandlungen, bei denen er stets für ein Weiterbestehen der Heilsarmee einstand. Doch nun, in dieser besonders brenzligen Situation, kam ihm seine militärische Laufbahn im Ersten Weltkrieg zugute. Denn als der Beamte im Büro der Gestapo hörte, dass Büsing Träger des Eisernen Kreuzes war, wurde die Anklage fallen gelassen. Gott hatte wieder einmal gnädig eingegriffen.
Bewahrung in schwierigsten Zeiten
Der endgültige Beschluss, die Heilsarmee zu verbieten, muss wohl fertig in der Schublade des Reichsinnenministers gelegen haben. Doch die tatsächliche Auflösung wurde auf die Zeit nach dem Endsieg verschoben und damit nie ausgeführt. Man kann an dieser Stelle getrost Paulus zitieren. Er drückt es im Neuen Testament so aus: „Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.“ 2. Korinther 4,9
Kommandeur Büsing war es auch, der in der sowjetischen Zone Heilsarmee-Gebäude vor der Zerstörung bewahrte. An den Gebäuden wurden Schilder angebracht, auf denen stand: „Dies ist der deutsche Zweig der internationalen Heilsarmee mit Hauptquartier in London“. Die Russen waren ja im Krieg Verbündete der Briten. Solche Häuser konnte man nicht zerstören.
Neuanfang nach dem Krieg
Der 8. Mai ging nicht als Feiertag in die Geschichte der Heilsarmee ein. Man könnte aber sagen, dass sich ein Ausspruch von Miguel de Unamuno (1864–1936) bewahrheitete: „In jedem Ende liegt ein neuer Anfang.“
Und so war es dann auch. Nachdem 1945 der Pulverrauch verweht und der Blick auf die Ruinen von Deutschland frei war, versammelten sich die versprengten Reste der Heilsarmeekorps (Gemeinden), klopften sich den Staub von ihren Uniformen, malten mit Farbresten „Die Heilsarmee“ auf die Mauer und fingen von vorne an.
Dieser Anfang und der folgende Wiederaufbau waren nicht einfach. Es zeigte sich aber, dass der Internationalismus der Heilsarmee auch hier große Vorteile brachte. Da kamen die „CARE-Pakete“ aus den USA und halfen dabei, die Not der Menschen ein wenig zu lindern. Die „Salvation Army Relief Teams“ kamen aus Großbritannien, um Aufbauarbeit zu leisten.
Die Heilsarmee in Schweden schickte Bauteile für 15 riesige Baracken. In diesen hölzernen Mehrzweckhallen wurden Gottesdienste, Sonntagsschulen, Kinderstunden und Speisungen durchgeführt. In großen fest zusammengedrückten Ballen wurden Kleidungsstücke von Schweden nach Deutschland gebracht, die an Bedürftige verteilt wurden.
Die Heilsarmee kümmert sich um die Heimatlosen
In der Nachkriegszeit kam das Problem der „Displaced Persons“ auf. Diese heimatlosen Menschen wurden im „Grenzdurchgangslager Friedland“ (Landkreis Göttingen) aufgenommen, in dem auch die Heilsarmee mitwirkte. Als Tausende Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft wieder in Deutschland ankamen, erhielten sie die ersten gut belegten Butterbrote und heißen Kakao im Lager.
Viele Familien waren durch die Kriegswirren auseinandergerissen worden. Hier bewährte sich der Suchdienst der Heilsarmee: Die Religionsgemeinschaft konnte auf die Hilfe der vielen Offiziere im In- und Ausland zurückgreifen und Kinder zu ihren Eltern zurückbringen. Viele Familien, die einen Angehörigen vermissten, konnten ihn freudestrahlend in die Arme schließen.
Fest verankert im Glauben
So linderte die Heilsarmee viel Not. Sie vergaß aber über allen menschlichen Nöten eines nicht: Zuversicht, Hoffnung und Mut kommen aus dem Glauben an Jesus Christus. Ihre Gottesdienste waren stets gut besucht.
Die Menschen suchten einen festen Halt, so wie es in einem Lied von Cornelius Friedrich Adolf Krummacher ausgedrückt wurde:
1. Stern, auf den ich schaue, Fels, auf dem ich steh, Führer, dem ich traue, Stab, an dem ich geh. Brot, von dem ich lebe, Quell, an dem ich ruh, Ziel, das ich erstrebe: Alles, Herr, bist du!
2. Ohne dich, wo käme Kraft und Mut mir her? Ohne dich, wer nähme meine Bürde, wer? Ohne dich, zerstieben würden mir im Nu Glauben, Hoffen, Lieben. Alles, Herr, bist du!
3. Drum so will ich wallen meinen Pfad dahin, bis die Glocken schallen und daheim ich bin. Dann mit neuem Singen jauchz ich froh dir zu: nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du!
Autor: Major Alfred Preuß