„Gott liebt jeden Menschen. Wir auch“

Mathias Sochocki hat die erfolgreiche Straßenarbeit der Heilsarmee in Osnabrück aufgebaut. Gemeinsam mit Lothar Grafe, der selbst einmal obdachlos war, und anderen Freiwilligen ist er unermüdlich für Menschen am Rand der Gesellschaft im Einsatz.

Seit 2012 ist Mathias Sochocki auf der Straße unterwegs. Egal ob es regnet, stürmt oder schneit: Der Heilssoldat versorgt regelmäßig wohnungs- und obdachlose Menschen in der Osnabrücker Innenstadt mit Getränken und Lebensmitteln, Hygieneartikeln und anderen nützlichen Dingen wie Isomatten, Schlafsäcken, Schals und Mützen. Auf Wunsch geht er mit und für die Menschen, die er trifft, ins Gebet oder teilt christliche Literatur in verschiedenen Sprachen mit ihnen. Mathias Sochocki ist überzeugt: „Jeder Mensch wird von Gott geliebt und verdient Respekt und Unterstützung – auch, wenn er keine Wohnung hat.“

Streetwork ist einer von mehreren Bausteinen in seinem ehrenamtlichen Engagement. So bot er schon in den 1970er Jahren im Rahmen des Schwarzen Kreuzes Bibelgruppen in der Justizvollzugsanstalt an, engagierte sich beim Blauen Kreuz für Suchtkranke und gründete zusammen mit seiner Frau Helga 1998 das Café Atempause der Heilsarmee, das eine Keimzelle der heutigen Gemeinde in Osnabrück war. Sochockis besonderer Einsatz für wohnungs- und obdachlose Menschen begann mit einer persönlichen Begegnung. „Ich habe in der Stadt eine Frau gesehen, die bei Eiseskälte am Eingang einer Kirche saß“, erzählt er. „Zufällig hatte ich Tee dabei und habe ihr davon gegeben. Sie war zuerst wie versteinert, ist dann mit jedem Schluck aufgetaut und hat mich schließlich angelächelt. Das hat mich unglaublich berührt und ich wusste, dass Jesus mir die neue Aufgabe gezeigt hat, um die ich lange gebetet hatte.“

Vom Einzelkämpfer zum Erfolgsteam

Sechs Jahre lang war Sochocki als Einzelkämpfer im Straßendienst unterwegs. Seit 2018 haben sich ihm immer mehr Menschen angeschlossen. Inzwischen wechseln sich mehrere Teams mit insgesamt 15 Mitgliedern beim wöchentlichen Straßendienst ab oder sorgen im Hintergrund dafür, dass die mobile Hilfe rundläuft. „Eine Frau strickt zum Beispiel Schals und Mützen, die wir im Winter verteilen und die sehr wichtig und beliebt sind“, schildert Mathias Sochocki. „Andere Teammitglieder schmieren Brote, backen Plätzchen, packen kleine Geschenke oder bemalen Ostereier, die dann mit in die Verteilung gehen.“ Auch ein Frauenkreis und eine Kindergruppe unterstützen das Streetwork mit kleinen Gaben. So bekommen die Empfängerinnen und Empfänger nicht nur Nützliches, sondern auch mal ein kleines Schmankerl.

Einer der ersten Mitstreiter war Lothar Grafe, der sich heute maßgeblich um die Organisation der Dienste kümmert. „Mathias hat mich gefragt, ob ich mitmachen möchte, und ich war sofort dabei“, erzählt er. Auch, weil er selbst schon einmal obdachlos war und die Ängste und Nöte der Betroffenen gut nachvollziehen kann. „Man ist ein totaler Außenseiter, wird übersehen, gemieden und diskriminiert“, schildert Lothar Grafe. „Wer schon am Boden ist, wird mit Sprüchen wie ‚Geh doch einfach arbeiten‘ oder ‚Du Penner‘ noch zusätzlich kleingemacht.“ Dabei könne jeder ganz schnell in diese Lage geraten – eine Scheidung, ein Jobverlust, Schulden aus einem Hauskauf. „Und schon sitzt man auf der Straße“, sagt Grafe.

Mathias Sochocki (links) und Lothar Grafe

Dass materielle Hilfe für viele „Freunde vom Straßenrand“ von Mathias Sochocki, Lothar Grafe und ihren Mitstreitern nicht das Wichtigste ist, wird vor diesem Hintergrund verständlich. Persönliche Ansprache, Respekt und Gemeinschaft haben eine mindestens ebenso große Bedeutung. Und dann ist da noch die geistliche Unterstützung, die die Heilsarmee bietet. „Viele Leute wissen, dass wir Christen sind und bitten uns, für sie oder mit ihnen zu beten“, sagt Mathias Sochocki. Daraus können sich weiterführende Gespräche über Gott und den Glauben ergeben; einige Menschen haben dadurch bereits den Weg in die Heilsarmee-Gemeinde gefunden und nehmen an den Gottesdiensten teil. Als sichtbares Zeichen des Glaubens hat Mathias Sochocki immer ein paar kleine, ganz einfache Holzkreuze dabei. „Die Idee mit dem Kreuz stammt von einem Inhaftierten aus der Bibelgruppe in der JVA Osnabrück“, erzählt er. „Durch das feste Drücken des Kreuzes in der Hand spürt man ‚symbolisch‘ die Nähe Jesu, die Trost und Zuversicht spenden kann. Diese Erfahrung von ‚Ich bin nicht allein‘ können wohnungs- und obdachlose Frauen und Männer, die sehr oft allein sind, gut gebrauchen.“

Die Arbeit zeigt Wirkung

Mit ihrer besonderen Mischung aus spiritueller und materieller Unterstützung fügt sich die Heilsarmee nicht nur perfekt in das Netzwerk der Obdachlosen-Hilfe in Osnabrück ein. Die Arbeit der Ehrenamtlichen rund um Mathias Sochocki zeigt auch ganz konkrete Wirkung: Mit ihrer Hilfe finden Menschen zum Glauben und aus der Obdachlosigkeit hinaus. Zum Beispiel Frank*, der nach zehn Jahren auf der Straße wieder eine Wohnung fand. Oder Heinz*, der mit 65 zum ersten Mal überhaupt ein eigenes Dach über dem Kopf hat. „Wenn so etwas passiert, sind die Freude und die Dankbarkeit natürlich riesengroß“, sagt Mathias Sochocki. „Und auch die Erkenntnis, dass wir nicht nur die Gebenden, sondern auch und vor allem die Empfänger von Gottes Güte sind.“

*Auf Wunsch der Genannten verzichten wir auf den Nachnamen.

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