„Das war für mich eine Ausnahmesituation“
Thomas Donadt ist seit knapp drei Jahrzehnten im Männerwohnheim in Köln - erst als Bewohner, jetzt als Mitarbeiter.
„Meine besten Freunde waren Jack Daniels, Johnnie Walker und Jim Beam“, sagt Thomas Donadt. Der Duisburger lebte damals auf der Straße - bis er durch Zufall einen Sozialarbeiter des Erik-Wickberg-Hauses in Köln-Ehrenfeld kennen lernte. Im September 1997 bezog er sein erstes Doppelzimmer im Wohnheim der Heilsarmee. „Wir wohnten da auf engstem Raum. Es gab zwei Betten, zwei Schränke und ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Toiletten waren nebenan, die Duschen im Keller.“, schildert Donadt. „Das war für mich eine Ausnahmesituation.“
Das Schicksal von Thomas Donadt ist keine Ausnahme für obdachlose Menschen. Der gelernte Verwaltungsfachangestellte im Kirchendienst führte ein bürgerliches Leben – bis plötzlich die Scheidung sein Leben zerrüttete. Seine Ex-Frau und das Kind zogen aus. Die Wohnung war zu teuer, ein Job war nicht in Sicht. Der Alkohol spielte eine immer größere Rolle in seinem Leben. Donadt orientierte sich neu, begann eine Umschulung zum Steuerfachgehilfen. Doch die Fehlzeiten waren zu hoch. „Ich war ein Quartalssäufer“, gesteht er heute. Er konnte monatelang nüchtern sein. Doch irgendwann griff er wieder zur Flasche und konnte einfach nicht mehr aufhören.
Im Männerwohnheim bot sich plötzlich die Chance, an der Pforte, die rund um die Uhr besetzt ist, zu arbeiten. Der Job, die regelmäßigen Mahlzeiten und der enge Kontakt zu seinem Sozialarbeiter hätten ihm viel Stabilität gegeben. Auch der Glaube habe ihn gestärkt. Trotzdem tauchten immer wieder Zweifel auf, vor allem dann, wenn er wieder mit Rückfällen kämpfen musste. „Das schiebt man dann gerne Gott in die Schuhe“, sagt er.
Im Männerwohnheim ist Alkohol untersagt. Trotzdem leben im Erik-Wickberg-Haus viele alkoholkranke Männer. Zu ihnen gehörte damals auch Donadt. Seine alkoholbedingten Fehlzeiten an der Pforte führten zu Abmahnungen und ernsten Gesprächen. Doch die damalige Leitung, die Majore Heidrun und Ivor Edwards, hatten viel Geduld mit ihm. „In einer wirklich trockenen Einrichtung wäre ich tatsächlich glorreich gescheitert“, gesteht Donadt. Vor 13 Jahren ist es ihm gelungen, sein – wie er sagt - „Säuferumfeld“ endgültig zu verlassen. Jetzt lebt er in einer Wohnung in Köln-Höhenberg und fährt mit dem Auto zur Arbeit ins Erik-Wickberg-Haus.
Das Erik-Wickberg-Haus ist, so heißt es offiziell, eine stationäre Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. 56 Männer sind hier, in dem weißen, zweigeschossigen Bau aus den 60er Jahren, untergebracht, 12 weitere leben in angemieteten Wohnungen. Der jüngste Bewohner ist gerade erst 21 Jahre alt, der älteste ist 70 und lebt dort seit 15 Jahren.
Langeweile ist out, Aufgaben gibt es genug: In der Waschküche, der Haustechnik, der Küche und im Café-Bistro „Vis à vis“ können die Bewohner ihr Taschengeld aufbessern und Schlüsselfähigkeiten für den normalen Alltag trainieren, wie zum Beispiel Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Konzentration und Durchhaltevermögen. Auch das geistliche Angebot der Heilsarmee wissen die Bewohner zu schätzen: Es gibt Seelsorgeangebote und einmal die Woche findet ein Gesprächskreis statt.
Über die Jahre hat sich viel verändert, sagt Donadt. Die Bewohner werden immer jünger, die Probleme vielfältiger, Mehrfachabhängigkeit ist das Stichwort. Hat denn auch die Aggressivität zugenommen? Im Gegenteil, sagt Donadt. Mit den Einzelzimmern gebe es deutlich weniger Streit als früher. „Jeder habe jetzt sein eigenes Reich. Das entspannt.“