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Eine radikale Entscheidung

„Vergebt euren Feinden und betet für sie", das sagt uns Jesus. Naja, mein Feind war diese Frau eigentlich nicht. Ich mochte sie einfach nicht. Sie stolzierte im Gemeindesaal herum, als gehörte er ihr, und sie zitierte die Bibel, als hätte sie sie selbst geschrieben. Sie tat so geistlich und ich wusste, dass niemand derart heilig sein kann. Oft begann sie ihre Sätze mit: „Gott hat mir gesagt ..."

Also beschloss ich, ihr einfach aus dem Weg zu gehen. Aber sie tauchte immer wieder auf und machte sich wichtig. Sie war einfach arrogant und ich wollte nichts mit ihr zu tun haben. Ich wusste, was in der Bibel stand. Ich war nicht darauf angewiesen, dass sie mich mit Versen überschüttete.

Jedes Mal, wenn ich in die Bibelstunde ging, war sie dort. Saß ich im Evangelisationsausschuss, kam sie auch dazu. Schloss ich mich dem Chor an, sang sie dort auch mit. Wann immer ich im Saal an ihr vorüberging, lächelte sie mich mit diesem geheiligten Gesichtsausdruck an.

Es war, als wollte sie mich bekehren. Ich brauchte keine Bekehrung mehr. Ich kannte Jesus. Die Frau machte mich verrückt! Ich musste etwas unternehmen. Doch was? Dann hörte ich eine leise Stimme in mir, die sagte: „Bete für sie."

Für sie beten? Wie konnte ich das? Sie trieb mich mit ihrem Verhalten zum Wahnsinn. Und ich wusste nicht, was ich beten sollte. Ich musste darüber nachdenken. Doch die leise Stimme in mir wiederholte es immer wieder.

So schrieb ich ihren Namen in mein Gebetstagebuch und nannte ihn in meinen Fürbitten. Gewöhnlich betete ich für andere Menschen um Heilung, daher war ich etwas unsicher, worum ich für sie beten sollte. Ich begann Gott zu bitten, dass er sie segnete und ihr Frieden gab.

Ich kann nicht sagen, dass es über Nacht geschehen wäre, doch mein Herz öffnete sich allmählich für diese Person. Ich begann ihr sogar zuzuhören, wenn sie mich mit Bibelversen belehrte. Aus irgendeinem Grund hörte ich auf, ihr aus dem Weg zu gehen, und setzte mich in der Bibelstunde sogar neben sie. Was ging da vor sich?

Sie war eine Zumutung für mich gewesen, aber inzwischen fand ich sie ganz erträglich. Wenn sie lächelte, war es nicht mehr dieses selbstgerechte Grinsen, sondern einfach ein freundliches, ehrliches Lächeln. Ich fragte mich: „Könnte es an mir gelegen haben?" Ich meine, sie war doch noch immer Dieselbe, und ich hatte mich auch nicht verändert. Oder hatte ich mich vielleicht doch verändert? Wie sonst konnte ich diese Frau ertragen?

Bei meiner Großmutter hing ein Schild an der Wand mit der Aufschrift: „Gebet verändert die Dinge." Gebet verändert auch Menschen. Nicht immer den, für den man betet, sondern vielleicht den, der betet.

Jesus lehrte uns nicht nur für unsere Feinde zu beten, sondern auch für unsere Mitchristen.

„So gebe ich euch nun ein neues Gebot: Liebt einander. So wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben", Johannes 13,34 NL.

Für jemanden zu beten ist ein Akt der Liebe. Ich bin dankbar, dass ich auf die leise Stimme in mir gehört habe, die mich aufforderte, für die Frau zu beten, denn ich wurde verändert.

Carol Kehlmeier
„The War Cry"/US

 

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