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Heiligung – und Eisenbahnen

 

Nachfolgender Text ist ein Auszug aus der Ausgabe 11/2017 des Heilsarmee-Magazins.

 

Als ich ein Kind war, wurde Kindern aus dem englischen Sprachraum in der Sonntagsschule das beliebte Lied vom Evangeliumszug beigebracht: „Steigt ein, kleine Kinder, steigt ein. Im Evangeliumszug gibt es noch viel mehr Platz!“

Wie beruhigend wirkte auf mich der Gedanke, dass dadurch, dass ich Jesus als Herrn und Heiland angenommen hatte, für mich die Reise begonnen hatte, die mich zum ewigen Leben führen würde. Kurz nach meiner Bekehrung wurde ich Juniorsoldat, und obwohl ich nicht immer mein Versprechen einhielt, mit Jesu Hilfe ein Leben zu führen, das rein in Gedanken, Wort und Tat war, zweifelte ich nie daran, dass ich zu ihm gehörte und die Ewigkeit in seiner Gegenwart verbringen würde.

Bald darauf lernte ich ein Blechblasinstrument spielen und wenige Jahre danach durfte ich im Seniormusikkorps mitspielen. Beschämt muss ich zugeben, dass ich im Gottesdienst oft dermaßen mit Musiknoten beschäftigt und in eigene Gedanken vertieft war, dass ich den Bibelbotschaften wenig Beachtung schenkte. Zwischendurch drang jedoch das Wort Gottes doch in mein Herz ein, und oft enthielt es das Wort Heiligung.

Unbewusst hatte ich diesen Begriff in meinem Bild vom Evangeliumszug eingebaut. Es gab offensichtlich Christen, die nicht nur im Zug mitfuhren, sondern sich auf ihrer Reise besonders anstrengten. In meiner Vorstellung waren diese Heiligen wohl mit Reisenden in der Ersten Klasse zu vergleichen, die man zwischendurch beneidete, aber sich mit dem Gedanken trösten konnte, dass man ja auch in der Zweiten Klasse das Ziel erreichen würde – und sogar noch billiger.

Erfüllt mit dem Heiligen Geist

Als ich jedoch Bücher über Heiligung zu lesen begann, entdeckte ich, dass ein heiliges Leben nicht eine Sonderoption für Perfektionisten war, sondern eine immer wiederkehrende Aufforderung aus dem Wort Gottes. Ein Leben, das ihn ehrte, war offensichtlich mehr als eine schläfrige Bahnfahrt. Auf die Bekehrung, so lehrte der Heilsarmee-Heiligungsprediger Samuel Logan Brengle (siehe Seite 6), musste eine weitere Erfahrung des Erfülltseins mit dem Heiligen Geist folgen. Mir war nur zu bewusst, dass ich nicht wie Paulus sagen konnte: „Ich lebe, doch nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2,20). Auch wenn ich zwischendurch tiefe Momente mit Gott erlebte, war ich weit davon entfernt, vom Heiligen Geist erfüllt zu sein. Was musste ich tun, um diesen zweiten Segen zu empfangen, über den Brengle schrieb? Mir war jedoch auch bewusst, dass andere Autoren das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist als die Folge von wiederkehrenden Erfahrungen beschrieben. Wer von ihnen hatte nun recht?

Da fiel mir ein Buch in die Hände, in dem ein junger Christ seinem geistlichen Mentor genau diese Frage stellte:
„Geschieht das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist auf einmal oder allmählich?“

„Wie bist du heute hierhin gereist?“, fragte dieser.

„Mit dem Zug“, antwortete er.

„Und wie bist du eingestiegen? Allmählich oder auf einmal?“

„Auf einmal.“

„Und der Zug? Erreichte er das Ziel auf einmal oder allmählich?“

„Allmählich …“

„So ist es mit der Heiligung“, sagte der Mentor. „Sie beginnt mit einer klaren Entscheidung, ein heiliges Leben zu führen, wie es in 3. Mose 19,2 heißt, dass wir heilig sein sollen, wie unser Herr heilig ist. Dieses Ziel kann jedoch nur dadurch erreicht werden, indem wir täglich unsere sündige Natur sterben lassen, damit sein Heiliger Geist voll von uns Besitz ergreifen kann.“

Die Heilsarmee kam zustande, weil der junge William Booth eines Tages betete: „Gott soll von William Booth ganz Besitz nehmen.“ Und weil er dieses Gebet tagtäglich wiederholte. Nach diesem Grundsatz versuche ich zu leben. Und Sie, lieber Leser, wie viel von Ihrem Leben gehört Gott?

 

 

Oberst Hervé Cachelin
Leiter der Heilsarmee in Deutschland, Litauen und Polen

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