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Mit Veränderungen umgehen

In Heilsarmeekreisen erzählt man die Geschichte eines Korpssergeantmajors, dem der Divisionsoffizier bei seinem Besuch eine Urkunde überreichte für 40 Jahre in dieser Verantwortung. Beim Kaffee nach dem Gottesdienst sagte der Divisionsoffizier zum Sergeantmajor: „Vierzig Jahre! Da haben Sie wohl in dieser Zeit manche Veränderung erlebt!“ – „Das ist wahr“, antwortete der Sergeantmajor, „und ich habe mich jeder Veränderung widersetzt!“

Veranschaulichung

Ob wir es wollen oder nicht, unser Leben ist von Veränderungen geprägt. Sie könnten ein Stück Schnur hervornehmen (wenn Sie in meinem Alter sind, nehmen Sie am besten ein sehr langes Stück Schnur) und, während Sie an Ihr Leben zurückdenken, für jede entscheidende Änderung in Ihrem Leben einen Knoten knüpfen. Das wären also Knoten für Wohnortwechsel, Schulwechsel, Beginn einer Ausbildung, Stellenwechsel usw. In einem zweiten Schritt könnten Sie die Knoten mit einem Filzschreiber einfärben: Eine Farbe für Wechsel zum Guten, eine andere für Wechsel zum Schlechten; vielleicht eine Farbe für Wechsel, denen Sie mit negativen Gefühlen entgegensahen, die sich jedoch positiv ausgewirkt haben, und eine andere für das Umgekehrte: Wechsel, auf die Sie sich freuten, die jedoch Ihr Leben negativ beeinflusst haben.

Zwei Arten von Veränderungen

Natürlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob wir Urheber einer Veränderung  sind (nennen wir sie aktive Veränderung), oder eine Veränderung über uns ergehen lassen müssen, die wir nicht verursacht haben (passive Veränderung). Ganz klar ist es viel schwerer, mit dieser zweiten Art von Veränderung umzugehen. Wenn Sie sich Zeit genommen haben, Ihren Lebenslauf zu knüpfen, dann könnten Sie die Knoten, je nachdem, ob Sie einen Einfluss auf die Veränderung hatten oder nicht, besonders kennzeichnen, vielleicht mit der Hilfe von zwei farbigen Fäden. Interessant wäre dann zu sehen, wie sich aktive und passive Veränderungen auf Ihr weiteres Leben ausgewirkt haben.

In 38 Dienstjahren musste ich viele passive Veränderungen hinnehmen, die mir von der Heilsarmee vorgegeben wurden: Dazu gehört, wie ich mich täglich kleide und die Höhe meines Gehalts; 17-mal ließ sie mich die Arbeitsstelle und damit meistens den Wohnort wechseln. Die Heilsarmee hat sogar zu einem gewissen Grade mitbestimmt, wen ich heiraten konnte (sie musste Heilsarmeeoffizierin sein)!

Zwei Grundhaltungen gegenüber Veränderungen

Nun unterscheiden Psychologen zwei Grundhaltungen gegenüber dem, was wir als passive Veränderungen bezeichnet haben. Eine heißt Bewältigung durch Flucht und die andere Bewältigung durch Kontrollübernahme. Menschen, welche die erste Haltung einnehmen, sind wie von Selbstmitleid gelähmte Opfer. Sie übersehen und überhören Gelegenheiten, die unwillkommene Veränderung mitzugestalten. Sie betrachten die Veränderung als persönlich auf sie ausgerichtete Ungerechtigkeit. Die Offensichtlichkeit dieser Ungerechtigkeit wird in ihren Augen gemindert, wenn sie aktive Schritte unternehmen, etwas Gutes daraus entstehen zu lassen.

Vielleicht hat das Wort Kontrollübernahme im Zusammenhang mit der zweiten Grundhaltung Ihre Aufmerksamkeit geweckt. Heißt nicht Christsein genau das Gegenteil: „Er muss immer größer werden und ich immer geringer“, sagte Johannes der Täufer (Johannes 3,30), als man wissen wollte, wie er damit umgehen könne, dass die Aufmerksamkeit, die er einst hatte, auf Jesus übergeschwappt war.

Ich würde entgegnen, dass aus dem, was Johannes sagt, etwas von dieser Kontrollübernahme herauszuhören ist: Hier geht es um jemanden bzw. etwas Größeres als mich, als mein Befinden, als die Sicherheit des Gewohnten. Ich werde nicht grundsätzlich gegen die Veränderung ins Feld ziehen, sondern ich gestalte sie mit. Ich kann mir keinen besseren Weg vorstellen, mit Veränderungen umzugehen. Diese Sicht der Dinge wünsche ich auch Ihnen, liebe Leser, wenn schwerwiegende Veränderungen des Lebens über Sie hereinbrechen.

Oberst Hervé Cachelin
Territorialleiter der Heilsarmee
in Deutschland, Litauen und Polen

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