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Oster-Mathematik

In diesem Jahr ist Ostersonntag am 21. März, im vergangenen Jahr war er am 1. April, im nächsten Jahr am 12. April. Wieso wechselt das Osterdatum scheinbar so willkürlich?

Auf welchen Sonntag Ostern jeweils fällt, wurde im Jahr 325 im Konzil von Nicäa festgelegt. Nicäa war eine Stadt in Bithynien, einer Landschaft in Kleinasien; heute ist sie türkisch und heißt İznik. Zum Konzil von Nicäa kamen rund 2000 Teilnehmer, davon über 300 Bischöfe. Eines der wichtigsten Ergebnisse war sicherlich die Formulierung des sogenannten nicänischen Glaubensbekenntnisses, das mit den Worten beginnt: „Wir glauben an den einen Gott … und an den einen Herrn Jesus Christus … und an den Heiligen Geist."

Ein weiterer Beschluss des Konzils war die Festlegung des Osterdatums. Als Faustregel gilt: Ostersonntag ist der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem (astronomischen) Frühlingsanfang, also nach dem sogenannten Frühlingsvollmond. Beispiel 2018: Frühlingsanfang ist am 20. März, der nächste Vollmond am 31. März und am darauffolgenden Sonntag, dem 1. April, ist Ostern!

In diesem Jahr 2019 gibt es aber ein "Oster-Paradox": Die Faustregel stimmt nicht. Nach ihrer Berechnung müsste am 24. März Ostern sein, dem Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Doch Ostern 2019 ist erst am 21. April. Grund dafür ist die Festsetzung des Frühlingsanfangs mit dem 21. März - und zwar unabhängig vom astronomischen Frühlingsanfang, der Tag- und Nachtgleiche, die in diesem Jahr schon am 20. März stattfindet. Und auch für den Vollmond wurden nicht tatsächliche Erscheinung am Himmel zugrunde gelegt, sondern Daten aus einem 19-jährigen "Meton-Zyklus", der schon in der Antike bekannt war. Dabei können sich allerdings Abweichungen zum tatsächlichen Vollmond von bis zu einem Tag ergeben - wie in diesem Jahr. Der vom Meton-Zyklus abgeleitete Vollmond findet 2019 bereits am 20. März statt. Damit liegt er aber vor dem kirchlicherseits auf den 21. März festgelegten Frühlingsanfang. Als erster Frühlings-Vollmond gilt daher erst der nächste Vollmond vom 19. April (bzw. nach dem Meton-Zyklus der 18. April) und der folgende Sonntag (21. April) ist dementsprechend Ostern.

Um herauszufinden, wann Ostern ist, können Sie natürlich in einem Kalender oder im Internet nachschauen. Aber es gibt auch – mindestens – eine Methode, um das Osterdatum zu berechnen, ohne einen Kalender in die Hand zu nehmen. Und die hat im Jahr 1800 der Mathematiker Carl Friedrich Gauß ermittelt, der zuletzt durch den Roman „Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann und die Verfilmung des Buches wieder zu einiger Berühmtheit gelangte. Bei dieser „Osterformel" handelt es sich nicht nur um eine einzelne Formel, sondern um einen ganzen Satz von Gleichungen! Und die funktionieren so:

Teilen Sie die Jahreszahl 2019 durch 19, bestimmen Sie den Rest und nennen Sie diesen Rest "a":
2019:19=106 Rest 5; also a=5


Teilen Sie die Jahreszahl 2019 durch 4, bestimmen Sie den Rest und nennen Sie diesen Rest "b":
2019:4=504 Rest 3; also b=3

Teilen Sie die Jahreszahl 2019 durch 7, bestimmen Sie den Rest und nennen Sie diesen Rest "c":
2019:7=288 Rest 3; also c=3

Berechnen Sie die Zahl (19*a+24), ermittlen Sie den Rest beim Zeilen durch 30 und nennen Sie den Rest "d":
(19*5+24):30=3 Rest 29; also d=29

Berechnen Sie die Zahl (2*b+4*c+6*d+5), ermitteln Sie den Rest beim Teilen durch 7 und nennen Sie diesen "e":
(2*3+4*3+6*29+5):7=28 Rest 1; also e=1

Als letztes berechnen Sie die Zahl 22+d+e.
Ist diese Zahl kleiner als 32, dann fällt Ostern auf diesen Märztag. Und wenn die Zahl zu groß für den März ist, dann ziehen Sie 31 davon ab und erhalten den Apriltag, an dem Ostersonntag ist:
22+29+1=52, also 21. März

Probieren Sie es doch gleich einmal für 2020 aus!

Für mathematisch Interessierte: Die beiden Zahlen 24 und 5 in der Formeln 4 und 5 hängen von gewählten Zeitraum ab; sie gelten nur für die Jahre zwischen 1900 und 2099.

Wie kommt man bloß auf so eine Formel? Zunächst einmal war Johann Carl Friedrich Gauß, der von 1777 bis 1855 lebte, nicht etwa ein weltfremder Mathematiker (was ja leider ein weit verbreitetes Klischee ist), sondern pflegte ein umfangreiches und breites Feld an Interessen. Zeitweise war Gauß verantwortlich für die Landesvermessung des Königreichs Hannover, was in Kehlmanns Roman thematisiert wurde.

Gauß wollte eines Tages von seiner Mutter wissen, wann denn sein Geburtstag sei. Sie konnte ihm nur antworten: „Am Mittwoch der Woche vor Himmelfahrt des Jahres 1777“. Gauß nahm dies zum Anlass, mal eben eine Formel zur Berechnung des Osterdatums zu erstellen. Von da aus konnte er dann das Himmelfahrtsdatum – das immer genau 39 Tage nach Ostern liegt – und damit seinen Geburtstag ermitteln.

Gauß’ Strategie dabei war, den Mondzyklus und den Kalenderzyklus für die Wochentage zu kombinieren. Der Mondzyklus dauert ziemlich genau 19 Jahre, d. h. nach dieser Zeit wiederholen sich die Daten für Vollmond, Neumond usw. So wie in diesem Jahr werden die Mondphasen also auch im Jahr 2032 sein.

Der Kalender mit den Wochentagen dagegen hat einen Zyklus von 28 Jahren: Die Kombination von 7 Wochentagen und 4 Schaltjahren führt dazu, dass sich nach 28 Jahren alle Wochentage genau wiederholen. Daher fällt der 28., 56, und 84. Geburtstag auf den gleichen Wochentag wie der, an dem man geboren wurde.

Und so erhalten wir die vier Zahlen 19, 4 und 7, die in der Formel wichtige Rollen spielen. Gauß‘ Ansatz führte nach weiteren Schritten schließlich zum Erfolg: Gauß konnte das Osterdatum für das Jahr 1777 berechnen (30. März) und damit auch seinen Geburtstag (30. April 1777). Bei der Veröffentlichung seiner Osterformel war Gauß übrigens gerade erst 23 Jahre alt!

Ich wünsche Ihnen ein schönes Osterfest!

Brunhilde Kiegel

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