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So heilte mich mein Glauben von der Erschöpfungsdepression

Meine Gedanken kreisen, ich fühle mich in die Zeit vor 20 Jahren versetzt, damals gab es für mich nur ein Thema: Kopfschmerzen, Verspannungen im Schulter-Nackenbereich und mein linker Arm taub bis in die Fingerspitzen. Mein Hausarzt bemühte sich redlich, kam aber irgendwann an seine Grenzen. Ich ging seit 10 Jahren meiner Arbeit als IT-Operator und System-Administrator nach und bediente die EDV-Hotline für 400 Anwender. Stress pur und genug Arbeit, um zusammenzubrechen.

Dennoch kam der Zusammenbruch für mich überraschend. Ich konnte mir nicht eingestehen, dass ich am Ende war. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus, wo ich gründlich auf den Kopf gestellt wurde, sagte man mir: „Gehen Sie mal in den Wald und schreien Sie ihren ganzen Frust raus.“ Leider war das nicht die Lösung. Meiner Arbeit nachgehen konnte ich nicht, also holte ich zuhause alles nach, was im Laufe der Jahre liegengeblieben war.

Ich verstand mich und die Welt nicht mehr

Ich räumte in jeder Ecke auf. Konnte nachts nicht schlafen, fütterte meine Seele mit Süßigkeiten und verstand nicht, warum Gott nicht einfach eingriff und mir die Schmerzen nahm. Zweifelte an Gott. Konnte den Menschen um mich herum nicht erklären, was mit mir los war und verstand mich und die Welt nicht mehr. Man versuchte mir mit Medikamenten, Massagen und anderen Therapien zu helfen, nichts schlug an und oft wurden die Schmerzen schlimmer. Meine Familie hatte unter all dem zu Leiden, da ich immer gereizter wurde. Ein Tinnitus, der einen schrillen Ton im linken Ohr verursachte, machte mich verrückt.

Es wurde eine Reha beantragt und dort fing ich an, Stück für Stück zu begreifen, wie ich in diesen Zustand gekommen war. Ich fing an zu begreifen, dass mein Körper nicht mehr mitmachte, weil meine Seele nicht mehr konnte.

„Ich habe eine Depression.“

Dieser Satz ging mir bisher nicht über die Lippen. Doch ich musste mir und anderen eingestehen, dass das die bittere Wahrheit war.

Ich fand Gründe für die Erschöpfungs-Depression. Ich hatte viel und hart gearbeitet, jeder IT-Ausfall wurde für mich zur persönlichen Niederlage, was sich für mich durch die Beschimpfungen an der Hotline bestätigte. Der Neubau unseres Gemeindehauses nahm viel Kraft in Anspruch. Meine Kindheit in der DDR und die Flucht meiner Eltern hatten doch Spuren hinterlassen. Meine Eltern waren an mir schuldig geworden. Das einschneidende Ereignis fand in einer schwierigen Phase in der Pubertät satt. Sie hatten mich mit einem großen Problem allein gelassen. Der Satz meines Vaters „Damit musst du allein fertig werden!“ gellt mir heute noch in den Ohren.

Mangelndes Selbstwertgefühl und Helfersyndrom

In der Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit kamen viele Begebenheiten wieder hoch und ich merkte: mangelndes Selbstwertgefühl, ausgeprägtes Helfersyndrom und andere Störungen trugen zu meiner Depression bei. Aber nicht was andere mir angetan hatten, sondern wie ich heute mit mir und meiner Umwelt umging, waren die ausschlaggebenden Dinge, die ich bearbeiten musste, um weiterzukommen.

Es kam zu Fortschritten – aber nicht zum Durchbruch. Mein Glaubensleben war am Tiefpunkt angekommen. In einer weiteren Kur erfuhr ich, dass bei Depressionen viele Gefühle unterdrückt sind und auch das Gefühl der Nähe Gottes kaum wahrnehmbar ist. Das half mir. Ich betete über Monate nur einen Satz:

„Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.“

Dieses Gebet trug mich durch die trübsten Stunden meines Lebens.

Dennoch fühlte ich mich leblos und war weit davon entfernt gesund zu werden und ans Arbeiten zu denken. Knapp zwei Jahre nach dem Zusammenbruch merkte ich, dass sich zwei Medikamente, von verschiedenen Ärzten verschrieben, gegenseitig wirkungslos machten. Zur gleichen Zeit wurde mir verborgene Sünde bewusst, an der ich jahrelang im Verborgenen festgehalten hatte. Im Gespräch mit meinem Seelsorger und im Bekennen vor meiner Frau lag Befreiung. Als ich alle Schuld vor Gott bekannte, Buße tat und um Vergebung bat, wurde mir die Schuld von Gott vergeben und es geschah Versöhnung zwischen mir und meiner Frau. Einige Wochen später konnte ich wieder zur Arbeit gehen. Unser Familienleben normalisierte sich. Und die Heilsarmee bot mir an, Redakteur für die Zeitschriften zu werden.

Im Rückblick bin ich Gott dankbar

Später arbeitete ich als Gemeindeleiter, Ausbildungsoffizier, Dozent für Dogmatik und Ethik für unseren Offiziers-Nachwuchs und als Kandidatensekretär. Ich wurde Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz und Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Siegen.

Ich war einst leblos: Ich dachte ich müsste die Rente einreichen und käme nie mehr zu einem normalen Leben. Das ich solch ein Arbeitspensum schaffen konnte, schien mir in meiner Krankheitszeit undenkbar. Im Rückblick bin ich Gott unendlich dankbar. Er hat mir eine neue Perspektive gegeben.

Es kamen auch immer wieder einmal Zeiten, in denen ich an meine Grenzen kam. Ich lernte diese Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen und konnte entsprechend reagieren und auch Aufgaben abgeben.

Heute lebe ich im Ruhestand im Siegerland. Bin weiterhin in Teilzeit für die Heilsarmee tätig und nehme meine Aufgaben im Hauptvorstand der Evangelischen Allianz und im Redaktionsteam „EiNS“, dem Magazin der Allianz, wahr.

Gott hat mich nicht nur gesund, sondern auch Heil gemacht.

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