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Eine rheinische Frohnatur - Franz Rothstein

Wie soll man den Karneval erklären? Jemand hat einmal gesagt: „Einem Rheinländer braucht man ihn nicht zu erklären und den anderen kann man ihn nicht erklären.

OK – aber nun steht der Karneval mal wieder vor der Tür und seine heiße Phase lässt nicht mehr lange auf sich warten. Und dann kommt auch schon der „Straßenkarneval“ mit seinen vielen Jecken, den bunten Kostümen und den vielen Kamellen. Die „rheinische Frohnatur“ in seiner stärksten Ausprägung finden wir in Köln. Die Auftritte von Prinz, Bauer und Jungfrau sind die Höhepunkte des Sitzungskarneval und die Redner bringen ganze Säle zum Lachen.

Eine Frohnatur der ganz anderen Art war Franz Rothstein. Seine Geschichte mit Gott und der Heilsarmee hat Majorin Christine Schollmeier aufgeschrieben:


„Ja, man hätte seine Initialen F. R. tatsächlich so auslegen können, denn der Rheinländer Franz Rothstein war zeit seines Lebens ein fröhlicher Mensch! Aber fröhlich heißt nicht unbedingt oberflächlich, und so ist der kleine Franz schon als Schulkind gerne in verschiedene Kirchen und Gemeinden gegangen. Er selber nennt es: „eine Art Morgensegen abholen“, wenn er auf dem Weg zur Schule bei den Nonnen vorbeischaut. Als Sechzehnjähriger bekehrt er sich 1882, er wird aktives Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde in Köln und heiratet die Tochter des Gemeindechorleiters. Auch beruflich steht alles zum Besten: Franz wird Kaufmann bei der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz und steigt mit „einigen technischen Kenntnissen“, wie er sie bescheiden in seinen Bewerbungspapieren für die Offiziersschule der Heilsarmee beschreibt, innerhalb von zwanzig Jahren in die Hierarchie der großen Firma bis zum Abteilungsleiter auf.
 
Wie kommt die fromme, erfolgreiche Frohnatur zur damals verschmähten Heilsarmee? Von der neu gegründeten Heilsarmee in Deutschland hat er gelesen und sogar ihre Zeitschrift, den „Kriegsruf“, abonniert. Aber erst 1894, als er zwei Waisen in die Schweiz bringt, sieht er am letzten Tag seines Aufenthaltes in Zürich zum ersten Mal jemanden von der Heilsarmee in Uniform. Die Heilssoldatin gibt ihm die Adresse des Hauptquartiers, wohin Rothstein eilt. Er ist beeindruckt von dem, was er sieht und beginnt zu ahnen, dass sein Platz vielleicht in der Heilsarmee sein könnte … Zurück in Deutschland schaut sich der Kaufmann die Heilsarmee in Wuppertal-Barmen an. „Es war eine Heiligungsversammlung am Freitagabend“, schreibt er später. „Der Saal war schlecht beleuchtet und schlecht beheizt; alles sah so ärmlich aus. Aber mich fesselte die Fröhlichkeit der Offizierinnen und wie sie sangen: Wenn einer nichts als glauben kann, so kann er alles machen; der Erde Kräfte sieht er an als ganz geringe Sachen.“

Franz Rothstein schreibt an das Hauptquartier nach Berlin, die Heilsarmee möge doch auch nach Köln kommen. Und bekommt den Auftrag, einen geeigneten Saal zu mieten! Das ist nicht so einfach, denn die katholisch geprägte Stadt Köln will die Heilsarmee nicht unbedingt haben. Und Rothstein weiß innerlich, wenn die Heilsarmee nach Köln kommt, dann ist Schluss mit seiner Mitgliedschaft in der anderen Gemeinde – er muss Heilsarmeesoldat werden!

So kommt es auch. In der ersten Versammlung in Köln, am 17. 10. 1897, wird Rothstein trotz der Bedenken seiner Familie und seiner Kollegen als Heilssoldat eingereiht. Ein Jahr später wird er Korpssergeantmajor, nach dem Offizier der nächste in der Verantwortung. Es geht in den Versammlungen turbulent zu. Rothstein berichtet: „Vier bis sechs Polizisten sind nötig, um einigermaßen Ordnung in der Halle zu halten.“ Der Abteilungsleiter der großen Firma hat oft Türdienst, und dabei wird er manchmal verletzt. Sein Stolz aber bekommt den letzten Stoß, so schriebt er, als er bei seiner Wirtschaftsmission nicht nur verrufene Kneipen, sondern auch Weinlokale besucht und zwei Ingenieure aus seiner Firma trifft. Am nächsten Tag ist es Tagesgespräch in der Firma, dass Abteilungsleiter Rothstein für die Heilsarmee Zeitungen verkauft …
 
Die Direktoren der Firma aber haben Verständnis für seine ehrenamtliche Arbeit und beauftragen ihn sogar mit einigen vertraulichen privaten Aufgaben. Ein Direktor hat Verantwortung für einen in Schwierigkeiten geratenen jungen Adeligen, und Franz – bescheiden wie immer – „konnte ihm helfen“. Später trifft er den Bruder des Adligen als deutscher Botschafter in einer europäischen Hauptstadt – und die Heilsarmee erfährt von ihm wiederum Hilfe!

Schon bald nach seiner Bestallung als Offizier wird Franz Rothstein eingesetzt, um für die Heilsarmee Mittel aufzubringen. Der ehemalige Kaufmann hat bemerkenswerte Erfolge; so bekommt er zum Beispiel von einer reichen Versammlungsbesucherin in Köln viel Geld, um ein Haus am Holzmarkt für ein Männerwohnheim zu kaufen. Rothstein und seine Frau sind die ersten Leiter des Hauses, das er bald erweitern und ausbauen kann, dann bekommt er die Leitung der gesamten Sozialabteilung für Männer. Er kümmert sich um Selbstmordverhütung, um Gefangenenseelsorge, baut neue Einrichtungen auf. Rothstein wird nach dem 1. Weltkrieg Generalsekretär der Heilsarmee in Berlin, doch bald soll sich sein Wirkungskreis noch erweitern: Zunächst wird er 1922 in „geheimer Mission“ in die Sowjetunion geschickt, wo Millionen hungern. Ein Freund der Heilsarmee spendet dafür eine Million Mark, und Rothstein und seine Mannschaft können bei den Wolgadeutschen manche vor dem Verhungern retten. Der Kölner, jetzt schon fast 60 Jahre alt, wird ausersehen, mit zwei Offizierinnen aus Deutschland die Heilsarmee in Ungarn zu eröffnen. Am Anfang bleiben seine kränkelnde Frau und ihr einziges Kind in Berlin zurück; vielleicht in weiser Voraussicht, denn mangels Bett schläft der Leiter wochenlang auf dem Tisch und kann sich erst nach und nach eine bescheidene Wohnung leisten. Er und seine Frau besitzen in ihren zweieinhalb Jahren in Ungarn weder Vorhänge noch Bettvorleger. Aber die Heilsarmee in Ungarn wächst, und Rothstein kann seinem Nachfolger knapp drei Jahre später fröhlich eine gesunde „Üdvhadsereg“ hinterlassenViele Jahre seines Dienstes verbringt er mit der Fürsorge für Hunderte verzweifelter Menschen, die ihrem Leben ein freiwilliges Ende setzen wollen; das „Selbstmordverhütungsbüro“ in Berlin ist seine Sache. Und – wie er selber bescheiden schreibt – es braucht manchmal nicht viel: „Nur ein paar Wege, einige Briefe, etwas Nachdenken und Gebet, und den Ärmsten war geholfen.“ Auch der frühe Tod seines Schwiegersohnes, die schwache Gesundheit seiner Frau, die dauernde Sorge um die Beschaffung der Geldmittel für die wachsenden Unternehmungen der Heilsarmee – das alles schafft es nicht, seine Freude zu dämpfen!
 
Mehr als 20 Jahre seines Berufslebens hat Franz Rothstein im Büro der Gasmotorenfabrik gearbeitet. Mehr als 20 Jahre verbringt er dann in der Fürsorge für verzweifelte, entwurzelte Männer und Frauen, die bei der Heilsarmee Hilfe suchen. Im ersten Teil hat er viel Geld verdient, im zweiten manchmal gar nichts. Aber ich glaube, der fröhliche Franz Rothstein, der mit fast 80 Jahren stirbt, hat seine Wahl nicht bereut.“
 
Majorin Christine Schollmeier (1946 - 2015) hat als Heilsarmee-Offizierin in vielen Großstädten gearbeitet und zum Schluß ihrer aktiven Laufbahn das historische Archiv der Heilsarmee geleitet.

 

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