Wie wir helfen
Rainer M. ist einer von vielen Hilfesuchenden, die bei der Heilsarmee neuen Halt gefunden haben. Schon früh gerät er in Schwierigkeiten. Sein Vater trinkt seinen ersten Morgenkaffee stets mit Korn. Als kleiner Junge hält Rainer das für normal. Mit neuneinhalb Jahren betrinkt er sich zum ersten Mal, mit 12 wird er in ein Heim gesteckt.
Mit Ende zwanzig ist er drogenabhängig und kriminell. Der groß gewachsene Mann wiegt damals noch knapp 60 Kilogramm und hängt seit 12 Jahren am Heroin. Drei- bis vierhundert Mark braucht er jeden Tag, um sich mit dem Stoff zu versorgen. Geld, das er sich meistens durch Diebstähle beschafft.
BEI DER HEILSARMEE FINDET ER NEUEN HALT
Auch seine Geschwister nehmen Alkohol und Drogen. Doch sie kommen schnell wieder davon los. Sie sind es, die ihm den Platz in einer sozialtherapeutischen Einrichtung der Heilsarmee in Köln besorgen. Im Jahr 2000 kommt er ins Erik-Wickberg-Haus. Mit Hilfe der Heilsarmee gelingt es ihm, seine Sucht zu überwinden und sein Leben neu auszurichten.
Seit neun Jahren arbeitet der 53-Jährige nun als Küchenhelfer im Erik-Wickberg-Haus. Schon vor seiner festen Anstellung hat er dort jahrelang ehrenamtlich in der Küche mitgeholfen und als Bewohner auch das Sozialcafé geleitet. Verantwortung zu übernehmen und etwas zu schaffen, macht ihm Spaß und gibt ihm Halt. „Ich bin kein Stubenhocker, ich muss etwas zu tun haben“, sagt er.
„WAS BESSERES HÄTTE MIR NICHT PASSIEREN KÖNNEN“
Manchmal überlegt Rainer, was ohne die Heilsarmee aus ihm geworden wäre. „Ohne diesen Job hier wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Ich wäre wohl rückfällig geworden – und das hätte ich nicht überlebt.“ Die Tätigkeit bei der Heilsarmee möchte er bis zum Rentenalter ausüben. „Was Besseres hätte mir nicht passieren können. Ich komme morgens mit einem lachenden Gesicht zur Arbeit und gehe auch lachend wieder nach Hause.“
Simone B.* hatte eigentlich vor, Mathematik zu studieren. Doch eine Erkrankung beendete ihren Traum. Heute ist sie körperbehindert und im Alltag auf Hilfe angewiesen. Die Heilsarmee in Bielefeld besucht sie einmal die Woche. „Ich bin froh, dass es dieses Angebot gibt. Wenn Lebensmittel verteilt werden, nehme ich meistens frisches Obst und Gemüse mit.“
*Name von der Redaktion geändert
Monika R.* ist regelmäßig zu Gast im „Open Heart“. Die 66-Jährige kocht kaum noch selbst, um Geld zu sparen. Sie macht sich große Sorgen um ihre schwer erkrankte Tochter, die sie von ihrer kleinen Rente mit unterstützt. „Wenn mein Kind weint und ich ihr nicht helfen kann, ist das ganz schlimm für mich“, sagt sie. Bei der Heilsarmee findet sie immer Trost. „Alle sind hier sehr herzlich und hilfsbereit. Das tut mir wirklich gut.“
*Name von der Redaktion geändert
Ingrid O. kann wegen ihrer schmerzenden Hüfte schlecht laufen. Sonst käme die 77-Jährige gerne öfter in die Begegnungsstätte der Heilsarmee Hamburg. „Alles, was mein Körper an Energie braucht, bekomme ich hier. Obst, Salat und am Sonntag sogar Kaffee und Kuchen. Es ist wunderbar!“, sagt die Rentnerin, die nur wenig Geld zum Leben hat. „Ich muss nicht allein zu Hause sitzen und kann mich mit anderen unterhalten.“
Monika hatte früher zur Hausbesetzer-Szene gehört und mit ihrem Mann eine Weile im Wald gelebt. Sie liebte das ungebundene Leben und nahm regelmäßig Drogen.
Über einen Bekannten lernen sie und ihr Mann die Heilsarmee kennen und besuchen einen Gottesdienst. Die Predigt bewegt Monika sehr. Ihr wird plötzlich bewusst, wie viel in ihrem Leben falsch gelaufen ist. Sie will neu anfangen und ihr ganzes Leben Jesus Christus anvertrauen. Gemeinsam mit ihrem Mann tritt sie der Gemeinde bei. Damals ist sie mit ihrem ersten Kind schwanger.
ALLES BRICHT ZUSAMMEN
Doch der Neuanfang scheitert. Sehr bald nimmt Monika wieder Drogen. Sie streitet sich immer öfter mit ihrem Mann. Die Ehe steht vor dem Aus. Eines Morgens, als sie allein zu Hause ist, bricht alles über ihr zusammen. Sie sieht keinen Ausweg mehr und hat das Gefühl, ihre Zeit verschwendet zu haben. Sie will sich das Leben nehmen.
Nur der Gedanke an ihr Kind hindert sie daran, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Zugleich spürt sie eine unwiderstehliche Kraft, die sie drängt, es doch zu tun. In ihrer Verzweiflung wirft sie sich auf den Boden und betet: „Jesus, bitte verhindere du das!“ In diesem Moment hat Monika das Gefühl, dass sie nicht mehr alleine ist. „Ich spürte, wie mich jemand in den Arm nimmt und tröstet“, erinnert sie sich. „Und dann habe ich gesagt: Okay, ich will dir nachfolgen, Jesus.“
MONIKA HEUTE
Heute ist Monikas ältester Sohn über 30 Jahre alt. Drei weitere Kinder folgten. Monika und ihr Mann engagieren sich nun bei der Heilsarmee. Seit über 20 Jahren verteilt sie am Freiburger Hauptbahnhof regelmäßig Mahlzeiten und Getränke an obdachlose Menschen. „Für mich ist die Heilsarmee Heimat“, sagt Monika. Ein Ort, an dem sie sich angenommen fühlt und durch den Glauben echte Freiheit entdeckt hat. Von diesem Glück, das sie erlebt hat, möchte sie anderen etwas abgeben.
Wolff-Dieter Hipp ist in Göppingen sehr glücklich aufgewachsen. Das ändert sich jedoch, als die familieneigene Möbelfabrik in Konkurs geht und sein Vater früh stirbt. Der Sohn versucht zu retten, was zu retten ist. Vergeblich, es geht weiter finanziell bergab. Nach dem Tod seiner Mutter verliert er auch noch seine Wohnung. Er landet in einem Schlafcontainer für Obdachlose, wird verprügelt und bestohlen – bis sein Leben eine andere Wendung nimmt.
Nach den Übergriffen und Diebstählen durch andere Bewohner des Containers ist Wolff-Dieter Hipp ganz unten angekommen. Er kann nicht mehr und will sein Leben ändern. „Ich muss mich an Gott wenden“, denkt er und bittet die Heilsarmee um Hilfe. Der Verzweifelte hat Glück. Kurzfristig bekommt er einen Platz in der Notschlafstelle des Männerwohnheims in der Marktstraße – und kann dort für längere Zeit schlafen.
ICH BIN DANKBAR FÜR DEN NEUANFANG
„Ich wollte nicht, dass er wieder auf der Straße landet“, sagt Bernd Friedrichs, Leiter der Göppinger Heilsarmee. „Ich merkte sofort, da ist ein guter Wille.“ Als dann im Wohnheim etwas frei wird, darf Hipp in sein eigenes Zimmer einziehen. Der Neue gliedert sich sofort in die Gemeinschaft ein, packt überall mit an und blüht sichtlich auf. Schließlich bekommt er einen Dienstvertrag. Zweimal in der Woche kümmert er sich nun um den Haushalt des Männerwohnheims.
„Je mehr ich mich in die Arbeit hineinkniete, desto besser ging es mir“, erinnert sich Hipp. Heute ist der 67-jährige Hausmeister bei der Heilsarmee und eine wichtige Vertrauensperson für andere Heimbewohner. Er findet immer stärker zu Gott und beschließt eines Tages, selbst Heilsarmee-Soldat zu werden. So könne er sich noch besser der Aufgabe widmen, Menschen in Not zu helfen, das Wort Gottes weiterzugeben und vor allem christliche Nächstenliebe zu leben.
Vier Monate war Serkan Cetinkaya nun schon auf der Suche nach seinem Cousin in Australien, als er auf der Webseite der australischen Botschaft einen Link fand, der auf die Homepage des Internationalen Suchdienstes der Heilsarmee in Deutschland führte. „Die Heilsarmee war mein letzter Versuch. Ich war kurz davor, selbst nach Australien zu fliegen, was allerdings durch Corona nicht geklappt hätte“, erklärt Cetinkaya. Ohne sich große Hoffnungen zu machen, schrieb er Major Reinhold Walz vom Suchdienst der Heilsarmee an. Serkan Cetinkaya konnte nicht glauben, wie schnell er Rückmeldung erhielt: „Keine 48 Stunden später hatte ich schon eine Antwort.“
Bereits nach sechs Wochen konnte die Heilsarmee den Kontakt zu Serkan Cetinkayas Cousin herstellen. „Es ging sehr schnell und effektiv – 1A“, resümiert der Schauspieler zufrieden.
Als Kind von den Eltern im Stich gelassen wird Patrick früh suchtabhängig und gerät auf die schiefe Bahn. 25 Jahre lang steckt er in einem Teufelskreis von Drogen, Kriminalität und Entzug. Doch jetzt zeichnet sich ein Durchbruch ab und Patrick ist entschlossen, seinem Leben eine entscheidende Wende zu geben.
Von seinem Bezugsbetreuer bekommt er den Kontakt zum William-Booth Haus, dem Übergangswohnheim der Heilsarmee in Berlin. Patrick meldet sich dort und trifft sich mit der leitenden Sozialarbeiterin. Sie finden schnell zueinander und Patrick fasst Vertrauen. „Eine, die von ganzem Herzen Sozialarbeit macht. Wir haben eine absolute Nähe aufgebaut und ich habe ihr alles anvertraut. In den ganzen Jahren habe ich nur zwei Sozialarbeiter kennengelernt, die mir wirklich geholfen haben. Hier aber finde ich Toleranz und Verständnis, dass Sucht nicht einfach abgelegt werden kann, wie eine alte Jacke.“
Bereits kurz nach dem Hochwasser vom 14. Juli richtete die Heilsarmee ein Spendenkonto ein, um den Flutopfern schnelle Unterstützung anbieten zu können. Seitdem steht sie mit mehreren betroffenen Familien in engem Kontakt und leistet dank zahlreicher Spenden unbürokratische Hilfe. Beim Besuch einer der unterstützten Familien in Rheinbach erzählten Nina und Björn, wie es ihnen und ihren zwei Kindern seither ergangen ist. Dank der zahlreichen Spenden an die Heilsarmee konnte seiner Familie bei der Finanzierung der neuen Heizung geholfen werden.
Im Oktober 2021 erhielt unser Suchdienst eine Anfrage aus Australien. Eine Mutter suchte ihren Sohn, der aufgrund einer psychischen Erkrankung in einem Kölner Krankenhaus behandelt wurde. Wegen der Pandemie konnte die Frau nicht reisen und erhielt vom Krankenhaus aber auch keine telefonische Auskunft. Auch die Schwester, die in Frankfurt lebte, konnte nichts über den Gesundheitszustand ihres Bruders in Erfahrung bringen. Wir schrieben an das Krankenhaus und fügten entsprechende Nachweise für meine Berechtigung zur Suche und Auskunftserteilung bei und schon nach wenigen Tagen gab der Pfleger des Gesuchten die Einwilligung, dass wir Auskunft über den Gesundheitszustand erhalten und diese auch an die Mutter weitergeben durften.
Ende des Jahres konnte die Mutter mit ihrem Mann nach Köln fliegen, um ihren Sohn zu besuchen. Nach diesem Besuch schrieben sie uns ein freundliches Dankeschön: „Im Namen der Familie möchte ich mich bei Ihnen für alles bedanken, was Sie bei der Suche nach unserem Sohn M. getan haben. Wie ich am Telefon erwähnte, hatten wir die Gelegenheit, M. im Krankenhaus zu besuchen, um seinen Zustand und die weiteren Behandlungsschritte für ihn besser zu verstehen.
Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie sich vor einigen Monaten mit dem Krankenhaus in Verbindung gesetzt und es möglich gemacht haben, dass wir feststellen konnten, wo er tatsächlich behandelt wurde und in welchem Zustand er sich zu diesem Zeitpunkt befand.
Seine Mutter und ich werden nächste Woche nach Australien zurückkehren, aber wir haben es geschafft, einige Kontakte im Krankenhaus herzustellen, damit wir die Situation regelmäßig überwachen können.
Nochmals vielen Dank!“